Wer hat das Recht auf ein „smartes“ Dorf?
Abstract
In den ländlichen Räumen gibt es vielfältige und regionale Krisen. Diese reichen von der problematischen Entwicklung der soziotechnischen Infrastruktur (Mobilität, Wohnen, Freizeiteinrichtungen) über den Verlust von Versorgungsnetzen und traditionellen Netzwerk- und Problemlösungsstrukturen aufgrund von demografischem Wandel, Sparmaßnahmen und Investitionsstau bis hin zum subjektiven Gefühl des “Abgehängtseins” in einigen Teilräumen (Christmann & Sept 2022, Krajewski & Wiegandt 2020, Maschke et al. 2020, Miggelbrink 2020, Woods et al. 2012). Um diesen Entwicklungen zu begegnen, initiieren staatliche Institutionen, Stiftungen, Investitionsgeber, Unternehmensberatungen und Think Tanks Smart Country Projekte (Wiedmann & Klug 2021). Nach dem Vorbild von Smart-City-Entwicklungsstrategien werden dabei plattformbasierte und datengetriebene Infrastrukturprojekte gefördert, um ländliche Strukturen in zukunftsorientierte, resiliente und digitalisierte Dorfgemeinschaften zu transformieren. Dahinter steht das Ziel, Wohlstand und Wirtschaftswachstum zu generieren, indem man Agglomerationsprozesse in urbanen Räumen mit smarter Infrastruktur in ländlichen Regionen begegnen möchte. Diese Infrastrukturen sind in der Regel mit einem technologischen Partizipations- und Modernisierungsnarrativ verbunden, während politische Teilhabeprozesse und Selbstbestimmung für die Bewohner*innen eine wichtige Rolle spielen (Prien & Strüver 2021).
Wir diskutieren ein Recht auf ein smartes Dorf, angelehnt an Henri Lefebvres Recht auf Stadt, um die ländliche Raumplanung und technischen Infrastrukturen zu analysieren. Dies beinhaltet die technisierten Alltagsräume und Infrastrukturen auf Möglichkeiten der “aktive(n) Selbstverwirklichung” (Lefebvre 2016) zu untersuchen. Zur Diskussion stehen Top-down- und Bottom-up-Projekte, die jeweils Partizipation, technologische Innovation und Modernisierung versprechen, sich aber im Grad der politischen Einbindung, Partizipation und Aneignung technologischer Infrastrukturüberschüsse unterscheiden. Ferner profitieren nicht alle gesellschaftlichen Gruppen (in sozioökonomischer, kultureller und demografischer Hinsicht) von den diesen Versprechen (Bauriedl & Strüver 2018).
Ländliche Räume könnten vielfältiger und demokratischer werden, indem man den disruptiven Charakter technologischer Entwicklungen anerkennt, ohne in “Unvermeidbarkeitsdoktrinen” zu verfallen (Schaupp & Jochum 2019). Wir diskutieren daher die Möglichkeiten, sozioökonomische und demografische Herausforderungen besser zu bewältigen sowie (politische) Emanzipationspotentiale technischer Infrastrukturen zu entwickeln: Wer hat das Recht auf ein smartes Dorf?