Zur Governance regionaler Produktionsnetze in Zeiten globaler Krisen

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
SH 2.106
Autor*innen
Carola Wilhelm (FAU Erlangen-Nürnberg)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag beschreibt Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Wertschöpfung und Governance der bayerischen Bierwirtschaft. Der Mapping-Ansatz stellt Veränderungen regionaler Machtverhältnisse in global-lokalen Produktionsnetzwerken dar und greift die Debatte um das Spannungsfeld Globalisierung vs. Regionalisierung auf.

Abstract

Der globale Ausbruch der Covid-19-Pandemie Anfang 2020 hat zu einer Vielzahl von Störungen entlang aller Stufen von Produktionssystemen geführt (Gereffi et al. 2021, Yeung 2021). In Bezug auf die Lebensmittelsysteme gehören dazu Unterbrechungen in der Ernte, der Transportverbindungen oder veränderte Verbrauchermuster (Alabi/Ngwenyama 2022) und stellten die Vorstellungen von widerstandsfähigen und souveränen Lebensmittelsystemen in Frage (Meuwissen et al. 2022, Coopmans et al. 2021). Sektorenübergreifend wurden globale Produktionsnetzwerke (GPN) und ihre Lieferketten unterbrochen, was zu neuen Bedenken hinsichtlich der global-lokalen Organisation von Produktionssystemen führte (Harris et al. 2020, Nujen et al. 2022). Inzwischen hat die Krisenbewältigung auch zu komplexen Ansätzen und Abhilfestrategien geführt. Dies wirft die Frage auf, auf welche Weise und in welchem Ausmaß verschiedene Interessengruppen betroffen waren (Ihle et al. 2020) und wie sich dies auf die nachhaltige und langfristige Stabilität der regionalen Produktion auswirkt. Während die Analyse einzelner Stufen weit verbreitet ist, fehlt es noch an empirischen Daten darüber, wie spezifische Produktionsnetzwerke auf einer regionalen Ebene reagiert haben.

Bisher ist die Analyse von globalen, grenzüberschreitenden Ketten vorherrschend. Vor diesem Hintergrund wollen wir zu einem Verständnis beitragen, wie vor allem regional organisierte Produktionsnetzwerke auf die Auswirkungen der Pandemie reagiert haben. In einem Mixed-Methods-Ansatz ergänzt unsere Wertschöpfungsanalyse mit zusätzlichen sekundärstatistischen Daten und einer qualitativen Inhaltsanalyse des bayerischen und deutschen Mediendiskurses über Bier. In Erweiterung früherer Analysen der bayerischen Bierproduktion (Bertram et al. 2021) strukturieren wir die krisenbedingten Auswirkungen entlang aller Stufen der Wertschöpfung. Vor diesem Hintergrund untersuchen wir das Governance-Setting in Anlehnung an eine GPN-Perspektive und analysieren die Rolle der verschiedenen Stakeholder-Gruppen (Henderson et al. 2002). Zur Unterstützung der Interpretation entwickeln wir einen Mapping-Ansatz, der die Entwicklung des regionalen Governance-Gefüges erfasst.

Wir zeigen, dass der bayerische Biermarkt die Folgen der Pandemie in wirtschaftlicher Hinsicht weitgehend überwunden hat, auch wenn zentrale Absatzmärkte weggebrochen sind (und die aktuellen Preissteigerungen im Gefolge des Ukraine-Angriffs neue Herausforderungen bringt). Unsere Mapping-Visualisierung bietet einen Ansatz zur Reflexion der Dynamik von Produktionssystemen und zur Ermittlung relevanter Potenziale in für die nachhaltige Entwicklung der Corona-Krise. Grundsätzlich führen Krisenzeiten zu Verschiebungen im Governance-Gefüge, sowohl im Hinblick auf das Netzwerk zwischen Unternehmen als auch auf die institutionelle Macht. Auf dieser Grundlage erörtern wir, wie sich die Dynamik der Governance auf die regionalen Produktionsnetze und ihre global-lokalen Verflechtungen auswirkt.