Zwischen Konflikt, Kooperation und Dekolonisation: Grüner Wasserstoff als neues Themenfeld politisch-geographischer Forschung

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
HZ 3
Autor*innen
Benno Fladvad (Universität Hamburg)
Kurz­be­schreib­ung
Dieser Beitrag diskutiert die Relevanz der aufstrebenden Wasserstoff-Wirtschaft für die Politische Geographie. Er behandelt Konfliktpotenziale, neue Kooperationsmöglichkeiten und dekoloniale Wasserstoff-Projekte.
Schlag­wörter
Grüner Wasserstoff, räumliche Konflikte, Sozio-technische Imaginationen, Dekolonisation

Abstract

Grüner Wasserstoff wird aufgrund seines Potenzials zur Dekarbonisierung schwer zu elektrifizierender Sektoren oft als Königsweg zur Abschwächung des Klimawandels angesehen. Zugleich gilt Wasserstoff – nicht zuletzt infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine – als eine Möglichkeit, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren. Regierungen, Verbände und Energieunternehmen weltweit sind daher bestrebt, entsprechende Wertschöpfungsketten und Infrastrukturen aufzubauen – mit weitreichenden geopolitischen und sozialräumlichen Implikationen, wie z.B. dem massiven Ausbau erneuerbarer Energien und weiterer Infrastruktur in vermeintlich ungenutzten und peripheren Gebieten oder neuen zwischenstaatlichen Rivalitäten und Abhängigkeiten. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tendenz, dass die derzeitige Wasserstoff-Forschung verstärkt wirtschaftliche und technologische Aspekte in den Blick nimmt, diskutiert dieser Beitrag die Relevanz dieser aufstrebenden Wirtschaft für die Politische Geographie. In einem ersten Schritt werden die räumlichen Konfliktpotenziale grünen Wasserstoffs skizziert und gezeigt, wie Wasserstoff-Technologien in Form „sozio-technischer Imaginationen“ (S. Jasanoff/ S.-H. Kim) neue geopolitischer Leitbilder entstehen lassen, die mit unterschiedlichen Visionen erwünschter und unerwünschter Zukünfte verbunden sind. In einem zweiten Schritt wird anhand derzeit entstehender Wasserstoff-Kooperationen z.B. zwischen der Bundesregierung Deutschland und potenziellen Produktionsländern wie Chile, Marokko oder Namibia analysiert, inwiefern diese Abkommen in Gefahr geraten, neokoloniale Machtverhältnisse zu reproduzieren. Drittens wird schließlich das Potenzial für emanzipatorische und dekoloniale Wasserstoff-Projekte behandelt, die z.B. von Teilen der kanadischen First Nations als ein Mittel zur Selbstbestimmung und Versöhnung indigener mit nicht-indigenen Gruppen angesehen werden.