Zwischen Einzelhandel und Gastronomie: Welche sozialräumlichen Bedeutungen haben Kioske in Köln-Ehrenfeld?
Abstract
Städte verändern sich stetig, gerade Gentrifizierungsprozesse prägen Quartiere und ihre Erscheinungsbilder. Diese urbanen Transformationen zeigen sich auch in den lokalen Gastronomien (Lütke & Jäger 2021, 2022). Wenig beleuchtet ist bisher, welche sozialräumlichen Bedeutungen Kioske als Hybride zwischen Einzelhandel und Gastronomie für das Zusammenleben in einem gentrifizierten Quartier aufweisen. Demnach spürt die Untersuchung den sozialräumlichen Bedeutungen von Kiosken in Köln-Ehrenfeld nach.
Den theoretischen Rahmen bildet das Konzept der Foodscapes (MacKendrick 2014) und der Food Gentrification (Bourlessas & Cenere 2021). Diese gehen von einem Zusammenspiel von Materialitäten und sozialen Praktiken des Essens und Trinkens sowie ihrer gesellschaftlichen Diskurse aus. Die so entstehenden Food-Szenen werden aus der Perspektive der sozialen Umfeldforschung (Oldenburg 1999; Wenzl et al. 2020) untersucht. Die Untersuchung wurde multimethodisch angelegt: 32 Interviews an Kund:innen, Betreiber:innen und Expert:innen, teilnehmende Beobachtungen sowie Kartierungen.
Kioske gehören zum Kölner Alltagsleben dazu. Die Befragten waren sich einig, dass Kioske einen essentiellen Bestandteil ihres Quartierslebens darstellten. Durch die alltäglichen sozialen Praktiken des Essens und Trinkens wird die Kölner Kioskszene auf vielfältige Weise reproduziert.
Die Niedrigschwelligkeit als Merkmal „Dritter Orte“ (Oldenburg 1999) spiegelt sich in der Ehrenfelder Kiosklandschaft wider und stellt ein Distinktionsmerkmal zu anderen Gastronomien jüngerer Food-Trends dar: „Aus allen Schichten, kann ich dir sagen […]“ (Betreiber 1). Darüber hinaus bieten Kioske Raum für zufällig und unverbindliche Zusammentreffen unterschiedlichster Milieus (Laurier & Philo 2006). Sie schaffen durch den Verkauf von Waren des kurzfristigen Bedarfs einen anlassbezogenen Aufenthalt am Kiosk (z. B. das sog. Cornern).
Die Foodscapes der Kioske unterscheiden sich von den Gastronomien der aktuellen Food-Trends des Viertels durch ihre Niedrigschwelligkeit des Zugangs und durch ihr bewusst konventionelles Warenangebot. Die angebotene Ware erfüllt eine vergleichbare Funktion wie in den sie umgebenden Foodscapes. Anders als in den von veganer Ernährung und Social-Media beeinflussten Ernährungstrends (Lütke & Jäger 2022), zeichnen sich Kioske durch Warenangebote aus, die von allen sozialen Gruppen und Milieus nachgefragt werden. Die gelebte soziale Praxis vor Ort bereichert Leben in öffentlichen Räumen des Quartiers und vermittelt gleichzeitig eine lokale Tradition. Dies schafft für die Anwohnenden inmitten der großstädtischen Anonymität Orte der Vertrautheit (Leyden 2003): „Irgendwie ist das Ganze so ein Ding, das gehört halt zu Köln dazu“ (Kunden 12 + 13).