P-Ost-migrantische Städte? Spezifika der Migrationsforschung in ostdeutschen Städten
Birgit Glorius (TU Chemnitz)
Die Session richtet sich auf die Frage inwieweit regionalspezifisch geprägte Konstellationen, Diskurse und Praktiken in ostdeutschen Städten neue oder andere Zugriffe auf die Migrationsforschung erforderlich machen. Kommunen in Ostdeutschland zeichnen sich durch eine im gesamtdeutschen Vergleich deutlich geringere gesellschaftliche Repräsentanz von Migrant:innen und eine spezifische Migrationsgeschichte (u.a. Vertragsarbeiter:innen in der DDR, Bedeutung humanitärer Migration/Flucht, kaum Arbeitsmigration nach 1990) aus. Verbunden mit den langanhaltenden Folgen der Transformation (u.a. Abwanderung, Arbeitslosigkeit, Umbau öffentlicher Institutionen) sowie deutlich hervortretenden gesellschaftlichen Spaltungsprozesse, Rassismus und Rechtsextremismus vermitteln sie ein Bild, das deutliche Unterschiede zur Situation in westdeutschen Kommunen aufzuweisen scheint. Gleichzeitig sind viele ostdeutschen Städten nicht zuletzt im Zuge der letzten großen Fluchtbewegungen zunehmend internationaler geworden. Vielfach sind neue Ankunftsquartiere mit besonderen Strukturen und Herausforderungen entstanden. Neben migrationskritischen Milieus finden sich in vielen Kommunen zivilgesellschaftliche Akteur:innen die sich für plurale Gesellschaften und gegen rechts engagieren. Häufig erfolgt die Analyse des Umgangs mit Migration und Diversität in ostdeutschen Kontexten jedoch aus einer in Deutschland eingeübten relationalen Perspektive, in der „der Osten“ in seiner Besonderheit als Abweichung von der westdeutschen „Norm“ konstruiert wird. Diese Perspektive hat nicht zuletzt Auswirkungen auf Aushandlungen vor Ort. Auch überdeckt dieses dominante Ordnungsmuster kleinräumige Differenzierungen und lenkt den empirischen Blick hin zu Unterschieden, die dann in stereotypisierender Weise essentialisiert werden. Vor diesem Hintergrund richtet sich die Session auf folgende Forschungsfragen:
Welche kommunalpolitischen Debatten im Kontext von Migration und Integration sind derzeit in ostdeutschen Städten bestimmend? Welche Effekte für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zeichnen sich in diesem Zusammenhang ab? In welchen Spannungsräumen formieren sich migrationsgesellschaftliche Ein- und Ausschlüsse neu?
Welche Diskurse und Imaginationen über Ostdeutschland wirken auf das urbane Zusammenleben und den lokalen Umgang mit Migration/Pluralität in ostdeutschen Städten? Welche Bedeutung kommt Ost/West-Relationen im Umgang mit Diversität/Migration zu? Und: was offenbart sich in westdeutschen Forschungskontexten, wenn man sich ihnen aus einer P-Ost-spezifischen Perspektive annähert?
Wie prägen transkulturelle (Alltags-)Praktiken von Migrant:innen städtische Lebensräume? Welche spezifischen Herausforderungen kennzeichnen das Zusammenleben in ostdeutschen Ankunftsquartieren?
Wie können spezifische Migrationsgeschichten und -erfahrungen - wie bspw. die Erfahrungen von Vertragsarbeiter:innen der DDR-Zeit - in gegenwärtigen Erinnerungspraktiken vor Ort sichtbarer werden?
Converiaum. Diese wird auch für die Anmeldung sowie für ein personalisiertes Konferenzprogramm eingesetzt.