Alexander von Humboldts Naturforschung: Zum Verhältnis von Ästhetik, Natur und geographischer Bildung

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
HZ 14
Autor*innen
Sophia Feige (Universität Jena)
Kurz­be­schreib­ung
Mein Beitrag verortet die geographische und geographiedidaktische Forschung in Bezug auf Alexander von Humboldts Naturforschung. Dabei nähere ich mich dem geographischen „Natur“ -Begriff phänomenologisch-hermeneutisch und erschließe diesen geographiedidaktisch.

Abstract

In der Geographie stellt die Untersuchung von Mensch-Natur-Beziehungen eine Kernidee der Disziplin dar. Diese Kernidee findet sich entweder als dritte Säule und so als konkreter Forschungsgegenstand neben den großen Teilbereichen der physischen Geographie und der Humangeographie oder sie wird als grundlagentheoretische Antwort darauf verstanden, was denn überhaupt das Geographische an Fragen der geographischen Forschung sei (Zahnen 2005, 201). Auch in der Geographiedidaktik entspricht die Frage nach der Beziehung zwischen Menschen und ihrer Umwelt der Legitimation des Schulfachs als Kernfach des 21. Jahrhunderts (Hoffmann 2019, 4). In diesem Verständnis antwortet es auf epochaltypische Schlüsselprobleme unserer Zeit, die schon bei Wolfgang Klafki bildungstheoretisch konkretisiert wurden (Jank & Meyer 2014, 231). Fragen danach, wie wir beispielsweise eine Bildung für nachhaltige Entwicklung vermitteln können sind auch immer Fragen danach, wie uns ein Verhältnis zur Natur bzw. zur Umwelt gelingen kann, das von uns als tragbar für den Fortbestand der Menschheit und dem Leben als solches gewertet wird.

Ziel meines Beitrags soll es nicht sein, der Disziplin einen neuen Begriff von Natur hinzuzufügen und dabei obligatorisch zu unterstellen, dass es diesen noch nicht gäbe oder es innerhalb der Geographie noch keine genügende Thematisierung der verschiedenen Konzepte des Begriffs und deren Überlagerungen erfolgt wäre (hierzu siehe auch Hard „Die Natur der Geographen). Ich werde mich dem Begriff der „Natur“ phänomenologisch-hermeneutisch nähern und nehme an, dass es in der Geographie schon immer ein Vorverständnis darüber gibt, was mit „Natur“ gemeint ist. In diesem Sinne zeigt sich Natur nicht als Gegenstand, sondern als „Naturverständnis“, also als innere Haltung gegenüber dem, was wir in der Geographie als „Natur“ verstehen und die Art und Weise, wie wir dieses Naturverständnis vermitteln und wie wir mit anderen darüber sprechen.

Natur ist dennoch mehr als eine subjektive Wahrnehmung, sie ist räumlich verankert und leiblich erfahrbar. Unser Naturverständnis ist dabei immer von historischen und gesellschaftlichen Kontexten geprägt, diese werden unter Einbeziehung der geographischen Forschung Alexander von Humboldts als Naturforschung näher beleuchtet. An der Bruchstelle zwischen Moderne und Vormoderne entfalte ich ein Naturverständnis, das sich in einem verstehenden Ansatz einer Art Proto-Hermeneutik realisiert, wie sie von Humboldt und Johann Wolfgang von Goethe praktiziert wurde und aus dem heraus ich eine bildungstheoretische Wendung vornehme. Im Anschluss wird daraus ein konkretes, geographiedidaktisches Forschungsdesiderat abgeleitet, das einem verstehenden Ansatz des „Natur“-Begriffs im Geographieunterricht – mit Fokussierung auf die Vermittlung physisch-geographischer Themen - gerecht werden soll.