Anpassung an Küstenerosion und Überschwemmung im ghanaischen Volta-Delta

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
SH 1.104
Autor*innen
Friedrich Neu (Universität Freiburg)
Kurz­be­schreib­ung
Das Zurückweichen der Küstenlinie im Volta-Delta kann v.a. auf eine Vielzahl von räumlich und zeitlich breit gefächerten anthropogenen Eingriffen in natürliche Systeme zurückgeführt werden. Die Anlo-Ewe haben diesbezüglich eine Bandbreite an historisch gewachsenen Anpassungsmaßnahmen entwickelt.
Schlag­wörter
Delta, Küstenerosion, Überschwemmung, Anpassung, Politische Ökologie

Abstract

An der Schnittstelle von Landflächen, Flüssen und Ozeanen gelegen, repräsentieren die Flussdeltas dieser Welt reiche – aber auch äußerst volatile und fragile – Ökosysteme, die seit jeher aufgrund ihres guten Nahrungsangebots und der strategisch günstigen Lage eine enorme Anziehungskraft für Menschen hatten. Dies führte über Jahrtausende zu ihrer bis heute vorhandenen hohen ökonomischen, politischen und auch kulturellen Bedeutung. Die (Über‑)Nutzung der Umwelt und ihrer natürlichen Ressourcen durch die Menschen vor Ort, aber auch in anderen mit Deltas verknüpften natürlichen Systemen, resultiert(e) in verschiedenen Umweltveränderungen – allen voran Küstenerosion und Überschwemmung wegen der geringen Höhe über dem Meeresspiegel.

Im Falle des Volta-Deltas handelt es sich bei Küstenerosion und Überschwemmung aber nicht ausschließlich um seit kurzem erst auftretende Phänomene, denn Photographien aus dem frühen 20. Jahrhundert zeugen von ihrem historisch etablierten Auftreten an dessen sandiger Küste im heutigen Südosten Ghanas. Dies legt nahe, dass natürliche Schwankungen der Küstenlinie immer auch eine Rolle spielten. Dennoch führten die steigende Anzahl und Intensität anthropogener Eingriffe in verschiedene natürliche Systeme, die mit dem Volta-Delta verbunden sind, in den letzten Jahrzehnten zu einem besonders ausgeprägten Zurückweichen der Küstenlinie. Dieser noch andauernde Prozess ging mit einem bemerkenswerten Verlust an bewohnbarer und zur Bestreitung des Lebensunterhalts durch Ackerbau nutzbarer Landfläche und der Verdrängung Tausender Menschen einher.

Gestützt durch eine historisch, soziopolitisch und -ökonomisch verankerte Kontextualisierung arbeitet dieser wissenschaftliche Beitrag die Faktoren heraus, die im Laufe der Zeit sowie über mehrere Skalenebenen hinweg zum kontinuierlichen Rückzug der Küstenlinie – begleitet von Überschwemmungen – beigetragen haben. Er veranschaulicht ferner, wie und warum betroffene Menschen der Anlo-Ewe, die auf einer schmalen Sandzunge östlich der Mündung des Volta-Flusses leb(t)en, sich unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten an (bevorstehenden) Verlust ihres Wohn‑, Arbeits- und Lebensraums anpass(t)en. Basierend auf Ansätzen der Politischen Ökologie werden auch Akteure und deren Machtbeziehungen, die in den Entscheidungsprozessen eine Rolle spielen, herausgearbeitet. Durch den überwiegenden Bezug auf Daten aus eigener empirischer Feldarbeit mittels Fallstudien werden Beispiele aus mehreren eher ländlichen Gemeinden entlang der Küste des Volta-Deltas herangezogen, um Einblicke in die verschiedenen Facetten von Anpassungsmaßnahmen in Bezug auf die Wahl des Wohnorts und die Art des Wohnens der Menschen zu geben. Dazu gehören u.a. temporärer Unterschlupf, sukzessives Zurückweichen, Migration, staatlich gelenkte Umsiedlung und eigenständige Wiederansiedlung in Kombination mit einem Küstenschutzprojekt samt Landgewinnung, wie auch Anpassungspraktiken in Bezug auf individuellen selbstständigen Wohnungsbau.