Arbeit der Sinne: Methodologisches Wachwerden im Wirklichen
Abstract
Zwischen den Wegen der Erkenntnis (von Realität und/oder Wirklichkeit?) im Denken des sozialwissenschaftlichen Mainstreams auf der einen und der Phänomenologie auf der ande-ren Seite, bestehen „gewisse“ Differenzen. Edmund Husserl wollte die Phänomenologie aus einer produktiven, idiosynkratischen Spannung zu den Wissenschaften betreiben: mehr aus der Kraft situationsgebundenen sinnlichen wie leiblichen Wahrnehmens, weniger aus den Erklärungsvermögen abstrakter Begriffe. Schon Friedrich Nietzsche merkte im Zarathustra an: „Der Leib ist eine grosse Vernunft, eine Vielheit mit Einem Sinne“. Das war kein Plädoyer für die „bessere“ Erkenntnis des Leibes im Unterschied zu vermeintlichen Schwächen des Intellekts. Nietzsche stärkte vielmehr eine methodologische Schwelle zwischen der Philosophie und den Wissenschaften.
Das in dieser Pointierung schlummernde Potential erkenntnistheoretischer Synthesen wird in der Praxis wissenschaftlicher Forschung kaum wahrgenommen. Noch immer gibt sich, wer „einfach nur“ hinhört, -sieht, -tastet und -riecht, allzu leicht der Verspottung preis – als mangele es dem phänomenologischen Denken an jedem Instinkt fürs Politische. Weil die Geringschätzung nicht in Gänze „daneben geht“, fragt sich, worin der Nutzen einer erkenntnistheoretisch-methodologischen „Bifurkation“ der Rationalitäten liegen könnte. Zum Bei-spiel im Blick auf Urbanität: Wie stellt sich das metropolitane Leben aus der Perspektive der Sinnlichkeit und des leiblichen Mit-Seins dar? Was trägt das sinnliche Streunen im Strom der urbanen Massen zum besseren und tieferen Verstehen dessen bei, was wir heute mit dem Begriff „Urbanität“ thematisieren?