Arbeitsmigration im Gesundheits- und Pflegesektor: Herausforderungen für Einrichtungen und Betriebe in städtischen und ländlichen Räumen

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
HZ 6
Autor*innen
Tobias Weidinger (FAU Erlangen-Nürnberg)
Stefan Kordel (FAU Erlangen-Nürnberg)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag befasst sich mit Herausforderungen der Rekrutierung, dem Onboarding (in Einrichtung und Region) sowie Halten von Arbeitskräften mit Migrationsgeschichte im Gesundheits- und Pflegesektor. Basierend auf einer Literaturrecherche und Hintergrundgesprächen werden Forschungslücken formuliert.
Schlag­wörter
Migration, Arbeitsmarkt, Pflege, soziale Inklusion

Abstract

Personen mit Migrationsgeschichte, die bereits vor Ort leben oder aus dem Ausland angeworben werden, werden von immer mehr Einrichtungen in der Alten- und Krankenpflege sowie ambulanten Diensten als Chance gesehen, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen und Versorgungslücken zu schließen. Dabei stellt sich die Frage, wie Arbeitsbedingungen und berufliche und soziale Teilhabe von Beschäftigten mit Migrationsgeschichte aussehen müssen, damit sie langfristig in der Einrichtung/im Betrieb, im Sektor und in der Stadt bzw. Region bleiben wollen. Im Rahmen eines von der Stiftung Mercator geförderten Projekts wurde dabei zunächst der (inter)nationale Forschungsstand in Bezug auf Herausforderungen der Rekrutierung, dem Onboarding (in Einrichtung und Stadt bzw. Region) sowie Halten von Arbeitskräften mit Migrationsgeschichte im Gesundheits- und Pflegesektor aufgearbeitet und ergänzend Hintergrundgespräche mit Expert*innen geführt, um Forschungslücken zu validieren.

Ergebnisse zeigen, dass der Rekrutierungsprozess mit zahlreichen Herausforderungen verbunden ist, insbesondere im Hinblick auf bürokratische Vorgänge bei Bewerber*innen aus dem Ausland. Infolgedessen sind die Organisationen zur Verwaltung des Einstellungsprozesses oft auf Vermittlungsagenturen angewiesen. Erschwerend hinzu kommen komplizierte und langwierige Anerkennungsprozesse ausländischer Abschlüsse und Qualifikationen und die Bereitstellung von arbeitsplatznahen und mit dem ÖPNV gut angebundenen Unterkünften.

Dünne Personaldecken, unterschiedliche Arbeits- und Organisationskulturen, Sprachbarrieren sowie Diskriminierung und Rassismus können es erschweren, zugewanderte Pflegekräfte effektiv in die Belegschaft aufzunehmen und zu integrieren. Berufsbegleitende Sprachkurse und Berufsschulunterricht stellen für Pflegekräfte mit Migrationsgeschichte zudem oft eine Doppelbelastung dar. Eine wichtige Rolle beim Ankommen schreiben Betriebe insbesondere in ländlichen Räumen dem sozialen Anschluss der Migrant*innen außerhalb des Arbeitsplatzes zu, um Heimweh und Einsamkeit zu überwinden und ein mögliches Fehlen von migrationsspezifischen (Infra)Strukturen zu kompensieren.

Das Bleiben von Arbeitskräften mit Migrationsgeschichte in der Einrichtung bzw. im Sektor ist schließlich von der Zufriedenheit am Arbeitsplatz abhängig (z.B. Bezahlung, Arbeitszeiten, Aufstiegs-/Weiterbildungsmöglichkeiten, Teamatmosphäre); die Entscheidung zum Bleiben in der Stadt bzw. Region bezieht aber auch die familiäre Situation und das Vorhandensein von (Infra)Strukturen ein (z.B. Arbeitsplatz für Partner*in, Kitas und Schulen für Kinder oder migrantische Communities).

Der Forschungsstand zeigt, dass noch deutliche Wissenslücken bestehen, in Bezug auf die Alltagserfahrungen der Migrant*innen und die organisationale Anpassung der Einrichtungen in unterschiedlichen räumlichen Kontexten sowie die Vernetzung von Organisationen mit anderen Betrieben, mit Verwaltung und Zivilgesellschaft um Migrant*innen langfristig zu binden.