Arrival Infrastructures zwischen Fürsorge und Vorsorge

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 16:30–18:00
Sitzungsraum
HZ 6
Autor*innen
Sylvana Jahre (Humboldt-Universität zu Berlin)
Antonie Schmiz (FU Berlin)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag eröffnet eine diskriminierungs-sensible Perspektive auf kommunale Daseinsvorsorge und zeigt anhand der Politics of Care, wie Infrastrukturen des Ankommens neben Zugang auch Ausschluss produzieren können, was wiederum für eine mögliche Vergesellschaftung relevant ist.

Abstract

Dieser Beitrag eröffnet eine diskriminierungs-sensible Perspektive auf kommunale Daseinsvorsorge. Wir argumentieren, dass städtische Infrastrukturen nicht für alle Menschen gleichermaßen zugänglich sind und somit nicht alle Menschen in gleicher Weise von einer möglichen Vergesellschaftung profitieren. Im Beitrag lenken wir den Blick insbesondere auf geflüchtete Menschen deren Daseinsvorsorge in Städten anhand der Heuristik der „Arrival Infrastructures“ diskutiert wird. Infrastrukturen des Ankommens überschneiden sich zwar mit den allgemeinen Funktionen städtischer Daseinsvorsorge, werden aber oft durch eigene Strukturen geprägt, die sich explizit an geflüchtete Menschen richten. Dies wiederum legimitiert die oft gravierenden Qualitätsunterschiede z.B. hinsichtlich Wohnen, Internetanbindung, Zugang zu Bildungseinrichtungen etc. Im Beitrag wird die Rolle von städtischer Politik und Verwaltung in der Bereitstellung ebenjener Infrastrukturen kritisch diskutiert. Daseinsvorsorge wird dabei als Form von staatlicher Fürsorge verstanden, also im Sinne des englischen „care“ als eine Ethik bzw. eine Politik, die moralisches Handeln maßgeblich prägt. Für die kommunale Daseinsvorsorge im Hinblick auf geflüchtete Menschen ergeben sich daraus zentrale Ambivalenzen: Erstens entsteht ein Spannungsfeld zwischen Gerechtigkeit und Fürsorge, die oft als sich ausschließende (moralische) Gegensätze verhandelt werden. Zweitens stehen Fragen um Fürsorge in engem Verhältnis zu Fragen von Kontrolle, insbesondere auch im Hinblick auf Möglichkeiten migrantischer Agency. Und drittens lassen sich Debatten um Fürsorge im Kontext von Flucht und Migration nicht von Fragen der Solidarität lösen. Denn solidarische Infrastrukturen des Ankommens werden in der Regel nicht von Kommunen, sondern von Migrant*innenselbstorganisationen getragen. Anhand dieser drei Argumentationsstränge möchten wir die Debatten um die Vergesellschaftung kommunaler Daseinsvorsorge erweitern, indem wir Ein- und Ausschlüsse zentral stellen und schließlich Vergesellschaftung im Spannungsfeld von Fürsorge und Vorsorge beleuchten.