Aushandeln von Systembeziehungen: Sprache-in-Interaktion als Dimension fachlichen Lernens im Geographieunterricht bei der Bearbeitung eines Mysterys

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
SH 0.105
Autor*innen
Miriam Schöps (MLU Halle-Wittenberg)
Kurz­be­schreib­ung
Im Kontext der Systemkompetenzentwicklung mit Hilfe eines Mysterys wird untersucht, wie Schüler*innen Formulierungen der Systemzusammenhänge zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit aushandeln. Die sprachlichen Anforderungen werden geographiedidaktischen Überlegungen zugeführt.

Abstract

Sprache ist für fachliche Lernprozesse kommunikativ wie epistemisch funktional bedeutsam (Morek u. Heller 2012). Welche sprachlichen Anforderungen eine fachliche Kompetenzentwicklung aber genau stellt, ist weiter zu klären, um fachspezifische Unterstützungsmöglichkeiten abzuleiten (Prediger 2019, 34). In der Geographiedidaktik wird die Entwicklung systemischen Denkens (Mehren et al. 2017) angestrebt, wofür die Einsicht in (kausale) Systemzusammenhänge als zentral erachtet und methodisch beispielsweise durch Mysterys (Leat 1998) und Concept Maps gefördert wird (Fögele et al. 2020). Lernende sind gefordert, kooperativ Relationen zu versprachlichen und graphisch abzubilden. Studien zur Systemorganisation von Schüler*innen bei der Mystery-Bearbeitung (Hempowicz 2021, Meister 2020) sehen diese Aushandlungsprozesse für die Einsicht in Systemzusammenhänge als bedeutsam an. Sie sind zunächst mündlich organisiert, erfordern dann einen Transfer in die Schriftlichkeit (Schwitalla 2006, Koch u. Oesterreicher 1985). Wie diese Prozesse gestaltet werden, ist bislang ungeklärt.

Rezente Forschungen der Geographiedidaktik belegen unterstützende Wirkungen der Sprachbildung im Fach (Heuzeroth u. Budke 2021, Wey 2022), fokussieren aber Schriftlichkeit und Fachsprache (Heidari et al. 2023, Heuzeroth u. Budke 2021, Schwarze 2019). Bei der schriftlichen Formulierung von Kausalstrukturen im Kontext Systemdenken zeigen sich u. a. Schwierigkeiten bei der Beschreibung von Relationen durch passende indikative Wörter (Heuzeroth u. Budke 2021, 25). Wie solche Formulierungen zustande kommen und wie sprachlichen Anforderungen einwirken, stellt ein Forschungsdesiderat dar.

Ziel der Studie ist es, zu untersuchen, wie Sprache interaktional genutzt wird, um Systemzusammenhänge zu erschließen und darzustellen. Ausgehend von der Annahme, dass Bedeutungskonstitution als Bestandteil von Wissensentwicklung interaktiv geschieht (Deppermann 2020, 246), behandelt der Vortrag die Frage: Wie wird die Darstellung von Systemzusammenhängen mündlich hervorgebracht?

In einem qualitativ-rekonstruktiven Vorgehen wird die Aushandlung systemischer Beziehungen interaktional linguistisch untersucht (Couper-Kuhlen u. Selting 2018). Die Datengrundlage bilden Unterrichtsvideographien (Hempowicz 2021) und multimodale Transkripte der Bearbeitung eines Mysterys durch Schüler*innen einer 9. Klasse in Gruppenarbeit. Die so ermöglichte Beobachtung des Formulierens im Mündlichen (Imo u. Lanwer 2019) wird gesprächsanalytisch (Deppermann 2008) auf Praktiken und sprachliche Anforderungen hin analysiert.

Die Fallanalysen zeigen bisher, dass mündliche Aushandlungsprozesse komplex sind und tiefere Verarbeitungen der Relationen dokumentieren, als die schriftlich fixierten Ergebnisse. Die Qualität scheint dabei vom Vorgehen in der Gruppe determiniert; gruppenspezifisch sind differente Organisationspraktiken, ein Changieren zwischen mündlichem und schriftlichem Modus und die Relevanz deiktische Ressourcen beobachtbar.