Aushandlungsprozesse um öffentliche Infrastrukturpolitik: Die Politisierung der Wohnungsfrage und regulative Strategien für bezahlbares Wohnen
Abstract
Neben vielschichtigen Versorgungsdefiziten und multiplen aktuellen Konflikten um öffentliche Infrastrukturen und ist auch die Wohnungsfrage verstärkt ins Zentrum öffentlicher Debatten gerückt, insbesondere im Anschluss an die globale Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 ff. Diese neueren Aushandlungsprozesse kennzeichnet, dass sie vor dem Hintergrund einer umfassenden institutionellen und ideologischen Rekonfiguration stattfinden. Diese erfolgte im Zuge der Neoliberalisierung und Finanzialisierung des Wohnens, der schrittweisen Kommunalisierung der Wohnungspolitik, der Privatisierung großer Bestände und der Restrukturierung der Verwaltung seit den 1990er Jahren. Der Beitrag untersucht die aktuellen Dynamiken der Politisierung, ihre zentralen und einflussreichen Akteurskonstellationen und Narrative, als auch die regulativen Strategien, die auf kommunaler Ebene in Antwort darauf entwickelt werden. Geographisch stellt er die Entwicklungen in drei Städten gegenüber, die in den 1990er Jahren unterschiedliche Strategien „schlanker Staatlichkeit“ verfolgt haben.
Methodisch basiert die interkommunal-vergleichend vorgehende, politökonomische Forschungsarbeit, in einem ersten Schritt auf Diskurs-Netzwerk-Analysen von Lokalzeitungsartikeln in drei Fallstädten (Tübingen, Frankfurt am Main, Dresden). Darüber werden zentrale Diskurskoalitionen und Argumente herausgearbeitet, die in den diskursiven Aushandlungsprozessen eine zentrale Rolle spielen. Ebenso wird die Position der Lokalpresse selbst im Politisierungsprozess beleuchtet und gefragt, warum in öffentlichen Debatten sowie bei den implementierten Instrumenten die Bedürfnisse und Argumente marginalisierter Gruppen strukturell unterrepräsentiert sind und nur selektiv eingebunden werden. Um regulative Antworten auf die Rückkehr der Wohnungsfrage und die Dynamiken, aus denen sie hervorgehen, in einem zweiten Schritt weiterführend zu erforschen, wurden in den Fallstädten leitfadengestützte Interviews mit Schlüsselpersonen aus Verwaltung, sozialen Bewegungen, Mietervereinen, Wohnungswirtschaft und Politik durchgeführt. Die Ergebnisse geben Hinweise darauf, welche Spielräume sich für Städte in der regulativen Gewährleistung von bezahlbarem Wohnraum eröffnet haben, aber auch, welche strukturellen Bedingungen einer effektiven, gemeinwohlorientierten Regulation des Wohnens auf kommunaler Ebene im Wege stehen.
Der Input basiert auf meiner Forschungsarbeit im Rahmen des BMBF-Projekts „Gemeinwohl-relevante öffentliche Güter. Die politische Organisation von Infrastrukturaufgaben im Gewährleistungsstaat“.