"Blending in?" Rückwander*innen aus der ehemaligen UdSSR nach Finnland und Deutschland
Abstract
Ethnische begründete Re-Migration (Repatriierung) ist ein besonderes Phänomen und ein facettenreiches Thema für Migrationsstudien, Bevölkerungsgeographie und Sozialgeographie. Weltweit gibt es etwa 40 Staaten, die Rückführungsgesetze oder -programme eingeführt haben.
Deutschland und Finnland sind hierbei interessante Beispiele, da es in beiden Staaten Gruppen ethnischer Re-Patriierung (Spätaussiedler und Ingrier/Paluumuuttaja) gibt, die unter ähnlichen rechtlichen Voraussetzungen einwandern konnten und somit eine komparative Betrachtung möglich ist.
Die Vorfahren beider Gruppen haben zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert Deutschland bzw. Finnland verlassen, um sich im Russischen Reich niederzulassen und ihren Nachfahren wurde bei Rückkehr in ihr „Heimatland“ die Staatsbürgerschaft aus ethnischen und kulturellen Gründen zuerkannt.
Somit ergibt sich, im Vergleich zu anderen Migrantinnen und Migranten, ein privilegierter rechtlicher Status und hypothetisch wurde eine besonders schnelle Integration in die deutsche und finnische Gesellschaft postuliert.
In der Praxis stehen Re-Patriierte bezüglich der sozialen sowie beruflichen Integration jedoch vor ähnlichen Herausforderungen wie andere Migrantinnen und Migranten. Als besonders aussagekräftig erweist sich hierbei die Frage des individuellen Zugehörigkeitsgefühls, also der Selbst-Identifikation, mit der Mehrheitsgesellschaft, deren Teil man von Beginn an de jure war bzw. sein sollte, ungeachtet spezifischer kultureller Prägungen aus der Herkunftsgesellschaft und mit der Migrationserfahrung verbundener Besonderheiten. So zeigt die vergleichende Forschung mittels qualitativer Interviews in Finnland und Deutschland, dass die soziale Integration zwar tatsächlich sehr schnell voran zu schreiten scheint, aber die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie Ingerier/Pallumuutaja sich deshalb nicht zwingend auf einer „Überholspur“ zur Assimilation befinden, sondern sich trotz des formalen Attributs Staatsbürgerschaft und der ethnischen Zuschreibung zur Mehrheitsgesellschaft zunächst eine spezielle, hybride Identität manifestiert.