Care-Ökonomien im ländlichen Raum am Beispiel eines ostdeutschen Gemeinschaftsprojektes

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
SH 0.101
Autor*innen
Inga Haese (Universität Kassel)
Inga Haese (Universität Kassel)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag thematisiert das Potenzial von Care-Ökonomien im ländlichen, peripherisierten Raum in Ostdeutschland. Einzelne Projekte von Care-Ökonomien, so meine These, weisen dem ländlichen Raum in Ostdeutschland bei der Findung alternativer Arbeits- und Lebensweisen eine experimentierfreudige Rolle zu. Dies werte ich anhand von Care-Praktiken und Elementen einer Care-Ökonomie aus, die widersprüchliche Entwicklungen jenseits von Idealisierungen oder Romantisierungen des Landlebens aufzeigen. Eine Erkenntnis der geschilderten Feldforschung ist, dass transformative Praktiken in Care-Ökonomien im ländlichen Raum die kapitalistische Differenzierung zwischen produktiver und reproduktiver Arbeit irritieren.

Abstract

Der Beitrag thematisiert das Potenzial von Care-Ökonomien im ländlichen, peripherisierten Raum in Ostdeutschland.

Einzelne Projekte von Care-Ökonomien, so meine These, weisen dem ländlichen und peripherisierten Raum in Ostdeutschland bei der Findung alternativer Arbeits- und Lebensweisen eine experimentierfreudige Rolle zu. Dies werte ich anhand von Care-Praktiken und Elementen einer Care-Ökonomie aus, die widersprüchliche Entwicklungen jenseits von Idealisierungen oder Romantisierungen des Landlebens aufzeigen (vgl. Maschke et al. 2021).

Die Grundlage meiner Feldforschung ist die qualitative Evaluierung eines Förderprogramms von Engagment im ländlichen Raum Ostdeutschlands, das der “Neulandgewinner” - erste Ergebnisse wurden bereits veröffentlicht (Haese 2023; Bude/Haese 2022). Zwischen 2013 und 2023 hat das Programm rund 120 Engagement-Projekte im ländlichen Raum in Ostdeutschland unterstützt und transformative Praktiken sozial-ökologischer Veränderung gefördert (www.neulandgewinner.de). Unsere Forschungen basieren auf einer Dokumentenanalyse von 80 bewilligten Antragsschreiben aus vier Förderrunden, 30 qualitativen Interviews mit geförderten Personen und drei ethnographischen Feldstudien im Rahmen von Feldbesuchen (2019-20) sowie eine aktuelle Festival-Ethnographie (2022).

Gemeinsam ist den Akteur:innen ein Experimentieren mit sozial-ökologischen, gemeinwohlorientierten Praktiken, die wir als transformative Praktiken (Unthan et al. 2022; Shove et al. 2012) fassen. Eine Erkenntnis der Feldforschung ist, dass transformative Praktiken in Care-Ökonomien die kapitalistische Differenzierung zwischen produktiver und reproduktiver Arbeit irritieren. Jedoch sind Aushandlungen über die Arbeitszeiten und die Inwertsetzung der (un‑)sichtbaren Arbeit in der Care-Ökonomie Gegenstand von Widersprüchen und Konflikten. Anhand eines ethnographisch untersuchten Falles, der Care-Ökonomie eines gemeinschaftlichen Ökolandbauprojektes, werde ich die Ergebnisse der Audienz anschaulich erläutern können.

Bude, H. /Haese, I. (2022): Aufbruch in die post-urbane Gesellschaft. Neue Ökonomien in Ostdeutschland. In: Leviathan. Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaften 2, 279-298.

Haese, I. (2023): Care-Ökonomien im ländlichen Raum am Beispiel eines ostdeutschen Gemeinschaftsprojektes, in: sub\urban. Zeitschrift für kritische Stadtforschung (i. E.)

Maschke, L. / Mießner, M. / Naumann, M. (2021): Kritische Landforschung. Konzeptionelle Zugänge, empirische Problemlagen und politische Perspektiven. Bielefeld: transcript.

Shove, E. / Pantzar, M. / Watson, M. (2012): The dynamics of social practise: Everyday life and how it changes. Los Angeles: Sage.

Unthan, N./Heuser, J./Kratzer, A. (2022): Das Recht auf Dorf. Von Experimenten, Pionieren und (sozialen) Innovationen in ländlich-peripheren Biosphärenrenreservaten. In: Belina, Bernt u.a. (Hg.): a.a.O. Bielefeld