Challenging the Brick Walls: Rassismuskritische und postkoloniale Lehre in neoliberalen Universitätsstrukturen

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
HZ 11
Autor*innen
Sonja Kanemaki (Universität Hamburg)
Kurz­be­schreib­ung
Eine Hochschullehre, die sich post- und dekolonialen Ansätzen verpflichtet fühlt, bringt inhaltliche und methodische Herausforderungen mit sich, denen sich die AG Kritische Geographien globaler Ungleichheiten im Rahmen von Seminaren zu „(de)colonial geographies“ und zu „rassismuskritischem Geographieunterricht“ stellt. Die Einbettung dieser Seminare in universitätsimmanente Machtstrukturen - nach Sarah Ahmed als "Brick Walls" verstanden - können den Fortschritt von rassismuskritischer und postkolonialer Lehre erschweren. In unserem Beitrag gehen wir der Frage nach, was es bedeutet, postkolonialen Ansätzen verpflichtete Lehre in neoliberalen Universitätsstrukturen umzusetzen.

Abstract

Die Umsetzung von Lehre, die den hohen Ansprüchen von post- und dekolonialen Ansätzen genügt, stellt im Kontext zunehmend neoliberaler universitärer Strukturen eine große Herausforderung dar. Wir – die AG Kritische Geographien globaler Ungleichheiten an der Universität Hamburg – haben uns auf zwei Ebenen mit diesen Herausforderungen auseinandergesetzt:

Einerseits haben wir Lehrveranstaltungen entwickelt, die sich mit einer rassismuskritischen Perspektive auf die deutschsprachige Geographie auseinandersetzt. Im Seminar zur Umsetzung eines rassismuskritischen Geographieunterrichts werden Lehrmaterialien der Geographie in den Blick genommen. Dabei beschäftigen sich Lehramtsstudierende mit kolonialer (Geographie‑)Geschichte und den daraus resultierenden Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Darüber hinaus wird ein Bewusstsein geschaffen für den Zusammenhang von Rassismus und Kolonialismus, sodass bei einer Auseinandersetzung mit globalen Themen rassistische und aus dem Kolonialismus hervorgegangene Vorurteile und Stereotype kritisch reflektiert werden können. Im Seminar zu rassismuskritischem Reisen werden Studierende auf ihre Auslandsaufenthalte vorbereitet, indem sie sich mit eigenen Privilegien auseinandersetzen und rassismuskritisch die eigenen Bilder im Kopf, aber auch Karten und Konzepte der Geographie ins Visier nehmen, um die Frage nach Kategorisierungen und deren Wirkmächtigkeit zu klären, zu hinterfragen und andere Sichtweisen zuzulassen.

Andererseits haben wir ein Seminar zu (de)kolonialen Geographien konzipiert und mehrfach durchgeführt. Aus einer selbstreflexiven Perspektive blicken wir auf unsere Lehrerfahrungen, die wir im Rahmen des Seminars „(de)colonial geographies“, das wir erstmals im Wintersemester 2017/2018 am Institut für Geographie in Hamburg anboten, gesammelt haben. Konfrontiert mit einer intersektional diversen Studierendenschaft erlangte besonders die Frage Bedeutung, inwiefern wir Methodik und Inhalt des Seminars an die unterschiedlichen Privilegien und Diskriminierungserfahrungen der Teilnehmenden sowie an ihre Motivationen flexibel anpassen können, um Ungleichheiten und Machtverhältnisse zu brechen. Eine besondere Herausforderung des Seminars war darüber hinaus die kollektive Lehre mit sieben Lehrenden, die eine Auseinandersetzung mit geteilten Verantwortlichkeiten, Koordinationsbedarf, Self Care und achtsamem Umgang mit dem Lehrpensum sowie der jeweiligen individuellen Motivation mit sich brachte.

Diese Lehrveranstaltungen sind eingebettet in universitätsimmanente Machtstrukturen, die einer Umsetzung rassismuskritischer und postkolonialer Ansätze über die Lehre hinaus entgegenstehen. Diese Strukturen können – nach Sarah Ahmed - als “Brick Walls” verstanden werden, die den Fortschritt von postkolonialer Lehre blockieren und den Widerstand dagegen erschweren. In unserem Beitrag gehen wir der Frage nach, was es bedeutet, postkolonialen Ansätzen verpflichtete Lehre in neoliberalen Universitätsstrukturen umzusetzen.