COVID-19 als Ursache temporärer Schrumpfung? Zur Einwohnerentwicklung der 15 größten deutschen Städte 2020-2021

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 16:30–18:00
Sitzungsraum
SH 3.104
Autor*innen
Dieter Rink (UFZ Leipzig)
Annegret Haase (UFZ Leipzig)
Tim Leibert (Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL))
Manuel Wolff (Humboldt-Universität zu Berlin)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag untersucht die Bevölkerungsentwicklung der 15 größten deutschen Städte für den Zeitraum der Coronakrise 2020-21 und diskutiert auf dieser Grundlage kurz- und längerfristige Effekte der Covid-19-Pandemie auf Stadtentwicklung, Stadtwachstum und Stadtschrumpfung.
Schlag­wörter
Covid-19, Schrumpfung, deutsche Großstädte, Einwohnerentwicklung, Zeitraum 2020-21

Abstract

Die Corona-Pandemie hat bis zum Ausbruch des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Frühjahr 2022 das öffentliche Leben in Deutschland bestimmt. In Politik, Öffentlichkeit und in der Wissenschaft wurden und werden ganz unterschiedliche Auswirkungen der Pandemie auf die Entwicklung der Städte diskutiert. In ersten Bestandsaufnahmen wurden etwa das Sterben des Einzelhandels, Einschnitte bzw. Schäden im Kultur- und Freizeitbereich, der Rückgang der Steuereinnahmen der Kommunen sowie ihre höhere Verschuldung, Probleme des öffentlichen Nahverkehrs, Rückgang der Büronutzung, die Flucht ins Umland bzw. aufs Land etc. thematisiert. All‘ diese Entwicklungen hatten direkte und/oder indirekte Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung der Städte sowie auf Zu- und Abwanderung.

Die Pandemie hat auch eine Grundsatzdebatte zur Zukunft der Stadt entfacht. Es wurde u.a. diskutiert, ob der Boom der Großstädte dadurch stagnieren oder gar aufhören würde. Oder ob gar die Urbanität al solche in eine Krise geraten ist und große Städte evtl. vor einem Ende ihres Wachstums stehen und teilweise einer neuen Phase der Schrumpfung entgegensehen.

Vor diesem Hintergrund haben wir im Jahr 2021 mit unserer Studie zur Entwicklung der deutschen (Groß)Städte unter den Bedingungen der Corona-Pandemie begonnen. Das forschungsleitende Interesse konzentrierte sich auf die Frage ob, und wenn ja, wie Reurbanisierung, Wachstum bzw. Wiederwachstum der deutschen Großstädte von der Pandemie beeinflusst bzw. beeinträchtigt sind. Wir sind dabei zunächst nicht mit einem spezifischen Konzept an die Analyse der Daten für die Jahre 2020-2021 herangegangen, sondern vielmehr mit einer offenen, statistischen Auswertung.

Das Ergebnis der Analyse zeigt, dass die meisten Großstädte im untersuchten Zeitraum nicht mehr gewachsen sind und einige von ihnen deutlich geschrumpft. Großstädte mit anhaltendem Bevölkerungszuwachs waren die Ausnahme. Damit lohnt also eine vertiefte Debatte zur Frage, auf welche Weise und wie nachhaltig eine Pandemie (als Krise verstanden) Stadtwachstum und Stadtentwicklung beeinflussen kann.

Konkret wollen wir in unserem Beitrag neben der Diskussion dieser generellen Frage anhand der vorliegenden Daten folgende Aspekte näher betrachten: Entwicklung des natürlichen Saldos, Übersterblichkeit und ihr Ausmaß, Entwicklung der Geburtenraten und Ausmaß eines evtl. Rückgangs derselben, Entwicklung von Zuwanderung in die Städte und der Abwanderung aus den Städten, ins Umland bzw. in ländliche Regionen, generelle stadtbezogene Entwicklung der Binnenmigrationen und internationalen Migrationen unter den Bedingungen der Pandemie.

Auf dieser Grundlage soll abschließend auch diskutiert werden, wie nachhaltig bzw. langfristig die Pandemieeffekte einzuschätzen sind. Führen sie zu Trendbrüchen, zu neuen Trends oder sind sie nur Verstärker/Bremser bereits bestehender Entwicklungen?