Crisis of Care und Plattformisierung: Ambivalenzen, Plattform-Logiken und der Einfluss auf Care-Arbeitende

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 16:30–18:00
Sitzungsraum
HZ 5
Autor*innen
Kurz­be­schreib­ung
Im Spannungsfeld der care crisis und der digitalen Vermittlung häuslicher Pflege- und Betreuungsarbeit werden in diesem Beitrag damit verbundene Ambivalenzen sowie die Logiken digitaler Care-Plattformen und deren Einfluss auf Care-Arbeitende untersucht.

Abstract

Das wir uns aktuell in einer akuten Crisis of Care befinden wurde in den vergangenen Jahren nicht nur in der Praxis besonders im Rahmen der COVID-19-Pandemie deutlich, sondern wird auch in wissenschaftlichen Debatten rund um die soziale Reproduktion hervorgehoben. Wie Emma Dowling (2022) summiert, ist diese Krise einerseits charakterisiert durch einen zunehmenden Mangel an - insbesondere zeitlichen und finanziellen - Ressourcen zur Durchführung von Care-Arbeiten wie der Betreuung- und Pflege von Angehörigen. Andererseits wird die Pflegekrise auch dadurch sichtbar, dass die entsprechenden Arbeitsbedingungen nicht würdig und ausreichend gut gestaltet sind.

In diesem Spannungsfeld und als Reaktion auf entsprechende Entwicklungen wird die Digitalisierung von Care-Arbeit häufig als vielversprechende Lösung tituliert. Entsprechend präsentieren sich auch digitale Pflege- und Betreuungsplattformen, welche auf unterschiedliche Arten und Weisen Arbeitnehmende sowie Pflege- und Betreuungs-Suchende miteinander in Verbindung bringen, als (eine) Antwort auf die genannten Problemlagen.

Aus einer kritisch-feministischen Perspektive werden im Rahmen dieses Beitrages digitale Plattformen zur Vermittlung von Betreuung und Pflege allerdings nicht als Lösung, sondern als Symptom der geschilderten crisis of care verstanden. Entsprechend dieses Verständnisses wird die Plattformisierung von Care-Arbeit gleichzeitig als Spiegel und Verstärker aktueller Spannungsfelder im Kontext sozialer Reproduktion und Pflegearbeit untersucht. Mittels eines solchen Verständnisses werden Ambivalenzen im Nexus von Pflege- und Betreuungsarbeit und digitaler Vermittlung entsprechender Arbeit sichtbar. So führt beispielsweise die Möglichkeit digitale Arbeitsprofile erstellen zu können zu einer erhöhten Sichtbarkeit von Kinderbetreuenden, unabhängig von Zeit und Ort. Gleichzeitig führt die individuelle Sichtbarkeit, wie Ticona und Mateescu (2018) sie nennen, und die damit verbundene totale Offenlegung persönlicher Daten wie Kontaktdaten oder Informationen zu Körperlichkeit zu einer neuen Form der Exposition der Arbeitenden.

Im Spannungsfeld entsprechender Ambivalenzen werden in diesem Beitrag die Logiken digitaler Care-Plattformen und deren Einfluss auf die Arbeitnehmenden untersucht. Aufbauend auf feministischen Theorien werden hierfür unterschiedliche Daten aus (i) Interviews mit Plattformbetreibenden, (ii) einer Systematisierung entsprechender Plattformen und (iii) weiterführender empirischer und theoretischer Literatur genutzt. Die vorgestellten Ergebnisse beziehen sich dabei vornehmlich auf die Untersuchung von Plattformen im Bereich der Betreuung und Pflege von Kindern und Senior*innen die in Zürich (Schweiz) aktiv sind.

Dowling, E. (2022). The care crisis: What caused it and how can we end it?. Verso Books.

Ticona, J., & Mateescu, A. (2018). Trusted strangers: Carework platforms’ cultural entrepreneurship in the on-demand economy. New Media & Society, 20(11), 4384-4404.