Das Immunsystem der Gesellschaft. Protestbewegungen in der Nachhaltigkeitstransformation in NRW
Abstract
Um bis 2050 auch nur annähernd klimaneutral zu sein, ist eine tiefgreifende Transformation staatlicher und nichtstaatlicher Infrastrukturen, wie z. B. industrieller und ökonomischer Infrastrukturen, über inkrementelle technische Innovationen hinaus notwendig. Die Umsetzung setzt einen gelungenen Aushandlungsprozess zwischen (aktiver) Zivilgesellschaft, Industrie und Politik auf kommunaler, Landes‑, Bundes- und zwischenstaatlicher Ebene voraus. Die in der Wasserstoffstrategie formulierte Zielsetzung (grünen) Wasserstoff als einen, wenn nicht den zentralen, Baustein für die Energiewende und damit der Vermeidung von CO2-Emissionen entsprechend auszubauen und einzusetzen, verdeutlicht die enorme Bedeutung die Wasserstoff mittlerweile politisch wie auch medial beigemessen wird. Die dafür benötigten Infrastrukturen, ähnlich wie angedachte Carbon Capture- und Storage-Technologien (CCS) lassen weitere gesellschaftliche Auseinandersetzungen erwarten, vergleichbare dem lokalen Widerstand gegen Windkraftanlagen oder den widerstreitenden Protesten im Rheinischen Revier. Diese Auseinandersetzungen wirken sich auch auf das Vertrauen zwischen den Akteur*innen ebenso wie auf die Akzeptanz für die Energiewende aus und haben perspektivisch das Potential für wachsende Proteste in der Bevölkerung.
Diese Ausgangslage gab 2021 den Anstoß zum Projektstart von Protanz.NRW, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für neue Technologien und Infrastrukturen sowie insbesondere die besondere Rolle von Protestbewegungen untersuchen soll.
Protestbewegungen haben die Aufgabe, Themen in Gesellschaftsbereiche zu tragen, in denen sie nicht oder nicht hinlänglich berücksichtigt werden. Zivilgesellschaftliche Bewegungen wie Fridays For Future (FFF) als Beispiel für progressiv-obsessive Protestbewegungen sehen sich durch die aktuellen gesellschaftlichen, politischen und sozio-ökonomischen Gegebenheiten zum Handeln gezwungen und wollen längst überfällige Veränderungen anstoßen. Trotz bemerkenswerter Erfolge der Protestgruppen, den Klimawandel und die nötige Nachhaltigkeitstransformation als Thema in die Medien, die Politik und – nicht zu vernachlässigen – in die Debatten an heimischen Tischen zu bringen, fehlt doch bei den Protestierenden wie auch in weiten Teilen der Bevölkerung das Vertrauen auf den Beginn einer tiefgreifenden Transformation.
Der Beitrag schaut mit systemtheoretischer Perspektive auf Protest im Bereich Klima und Energie in NRW und stellt Projektergebnisse aus semi-strukturierten Interviews und social-media Analysen verschiedener Protestgruppen vor.