Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz im Geographieunterricht: Eine Begriffsanalyse und ihre unterrichtliche Umsetzung

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 18:15–19:45
Sitzungsraum
SH 0.105
Autor*innen
Eva Marie Ulrich-Riedhammer (Universität Münster)
Kurz­be­schreib­ung
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll in diesem Beitrag einerseits an sich begrifflich und inhaltlich mit Blick auf das Verhältnis von Menschenrechten und Menschenpflichten betrachtet werden und andererseits konkret mit Blick auf die Umsetzung der Begriffsfrage im Unterricht.
Schlag­wörter
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, positives Recht, Paraphrase, doppelte Komplexität, Lösungsorientierung

Abstract

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz kann als ein vom Menschen gesetztes Gesetz, ein positives Recht, gesehen werden, das aber zur Einhaltung von nicht positiven Rechten und zum Teil naturrechtlich begründeten Rechten anderer Menschen gesetzt wird – den Menschenrechten. In diesem Spannungsfeld von positiver und nicht positiver und bisweilen naturrechtlicher Bestimmung (Lohmann 2018) greift das Gesetz, zumal es zudem abhängig bleibt von den Menschen, die es in Hinblick auf die Rechte von Menschen (in anderen Ländern) und auf ihre eigenen Pflichten gegenüber eben diesen Menschen in einer Art Fernverantwortung (Jonas 1984) umsetzen. Damit ist zum einen a posteriori interessant, zu klären, in welchem Verhältnis dieses Gesetz zu Menschenrechten und Menschenpflichten begrifflich und inhaltlich steht. Zum anderen kann mit Blick auf die Wortbildung des aus zahlreichen Determinativkomposita bestehenden Gesetzestitel a priori gefragt werden, wie das Gesetz semantisch zu verstehen ist. Die Paraphrase des Begriffs - eine Methode der Sprachwissenschaft - ist dafür interessant. Der erste Teil des Beitrags will damit eine inhaltliche Klärung des Begriffs im Spannungsfeld der Begriffe Menschenrechte und Menschenpflichten erreichen.

Der zweite Teil des Beitrags fragt darauf aufbauend, wie das Gesetz als Begriff und konkreter Vermittlungsgegenstand im Geographieunterricht fruchtbar gemacht werden kann. Es wird gezeigt, wie eine Begriffsanalyse des Gesetzes im Spannungsfeld zu Rechten und Pflichten im Unterricht geschehen kann und wie daraus eine weitere Verständigung über den didaktischen Gegenstand aussehen kann. Letzteres geschieht dabei mit Blick auf die neueren geographiedidaktischen Leitbilder der Lösungsorientierung (Hoffmann 2023) und der doppelten Komplexität (u.a. Mehren et al. 2015). Denn nicht zuletzt ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ein Lösungsansatz, der faktisch und ethisch komplex ist, und der am Anfang einer Unterrichtsreihe zur globalen Textilindustrie bzw. Globalisierung stehen kann.