Das Siedlungssystem der Alpen: Nachhaltige Raumentwicklung in Non-Standard Geographies
Abstract
In den aktuellen Debatten um die alpine Raumentwicklung stehen der Naturraum und ländliche Räume häufig im Vordergrund. Jedoch spielen für eine nachhaltige Raumentwicklung auch urbane Siedlungsräume eine zentrale Rolle. Dabei sind nicht nur voralpine Metropolen wie München, Mailand oder Wien von Bedeutung, sondern gerade auch kleinere Städte und Zentren im inneralpinen Raum. Sie beherbergen einen Großteil der alpinen Bevölkerung und sind entscheidend für die Sicherung von Daseinsgrundvorsorge und gleichwertigen Lebensverhältnissen.
Der Alpenraum zeichnet sich durch eine Vielzahl an Non-Standard Geographies aus (besonders hoch gelegene und periphere Räume). Die Organisation des Raumes ist maßgeblich durch das Relief geprägt. Der alpine Kernraum beinhaltet im europäischen Vergleich zudem eine hohe Dichte ländlicher Regionen. Darüber hinaus treffen in den alpinen Grenzregionen unterschiedliche politische Systemen und Raumplanungskonzepte aufeinander. Dadurch erfordern Berggebiete eine spezifische Form der räumlichen Organisation: eine eingeschränkte Erreichbarkeit führt entweder zu längeren Entfernungen und Fahrzeiten oder (im besseren Fall) zu einem höheren Niveau der Dienstleitungen in besonders kleinen, peripheren oder hoch gelegenen Alpenstädten und Siedlungen.
Dieser Beitrag baut auf einer umfassenden Erreichbarkeits- und Höhenkartierung von 780 Orten im inneralpinen Raum auf. Der explorative Ansatz untersucht zentralörtliche Relevanz von Alpenstädten und Siedlungen im inneralpinen Raum. Die zentralen Fragen lauten: Welche Rolle spielen kleine Städte und Siedlungen in Non-Standard Geographies in einem alpinen Siedlungssystem? Wie lässt sich dies mit Erreichbarkeitsargumenten beantworten? Welche Rolle spielt dabei die Höhenlage für die zentralörtliche Relevanz? Welche Potenziale lassen sich hierbei für eine nachhaltige/effiziente Raumentwicklung in Berggebieten ableiten?
Die empirische Arbeit stützt sich auf kleinräumige Daten zweier laufender Promotionen am Institut für Geographie der Universität Erlangen-Nürnberg. Diese untersuchen zum einen kleinräumige Polyzentralität im Kontext ländlicher Berggebiete und zum anderen den Zusammenhang von Höhe und sozioökonomischer Entwicklung von inneralpinen Regionen. Diese sozioökonomischen Merkmale dienen als Ausgangspunkt zur Identifizierung von Schlüsselfunktionen. Vor allem im inneren Bereich der Alpen ist die Einwohnergröße allein nicht ausschlaggebend für die Bedeutung funktionaler Merkmale. Viele besonders kleine, periphere und hoch gelegene Alpenstädte und Siedlungen erfüllen Schlüsselfunktionen für große Einzugsgebiete. Dieser Ansatz an der Schnittstelle zwischen theoretisch-konzeptioneller und angewandter Regionalentwicklung ist ein Beitrag zur Debatte über die Organisation eines effizienten und nachhaltigen Siedlungssystems in Bergregionen.