Der Checkpoint Charlie als Planungskontroverse: Was zeigt die Konfliktfeldanalyse (und was nicht)?

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
SH 1.105
Autor*innen
Christoph Sommer (Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS))
Kurz­be­schreib­ung
Am Beispiel der Kontroverse um die Bebauung des Berliner Checkpoint Charlie diskutiert die vorgestellte Fallstudie den Mehrwert und die Grenzen der politikwissenschaftlichen Konfliktfeldanalyse für die Untersuchung von Planungskonflikten.
Schlag­wörter
Stadtplanung, Planungsprozesse, Konfliktfeldanalyse, Checkpoint Charlie, Berlin

Abstract

Mit dem 2018 publik gewordenen Vorstoß eines Projektentwicklers, die verbliebenen Freiflächen am Berliner Checkpoint Charlie mit einer Blockrandbebauung in Wert zu setzen, spitzte sich der langjährige Konflikt um die Gestaltung dieses international bedeutsamen Geschichtsortes zu. Die Kontroverse speist sich wesentlich aus verschiedenen Raumkonstruktionen. So fallen zum einen die Vorstellungen davon auseinander, wie der Stadtraum an der ehemaligen Grenzübergangsstelle künftig aussehen soll (Erhalt des Denkmalwerts der Freiflächen versus immobilienökonomische Inwertsetzung durch Bebauung; weitere „Touristifizierung“ durch geplantes HardRock-Hotel versus Stärkung der „Alltagsqualitäten“ des Ortes). Zum anderen wurde darüber gestritten, wem der Ort gehören sollte. Diskutiert wurde, ob das Land Berlin als Mieter des geplanten Museums zum Kalten Krieg die Kommodifizierung des Geschichtsortes befördert, oder ob die öffentliche Aufgabe der Errichtung eines Bildungs- und Erinnerungsortes nicht auch öffentlichen Grund und Boden, also den Rückkauf von Teilflächen, erforderlich macht.

Die Fallstudie diskutiert den Mehrwert der politikwissenschaftlichen Konfliktfeldanalyse (Saretzki 2010) für die Untersuchung von Planungskonflikten. Am Beispiel der Checkpoint Charlie-Kontroverse lässt sich der zentrale Anspruch dieser mehrdimensionalen Konfliktfeldanalyse produktiv machen. Das breite Set analytischer Kategorien (u. a. Konfliktkontext, -akteure, -dynamik) sowie spezifizierender Kriterien (u. a. Konfliktentstehung, -austragung, -regelung) ermöglicht es, die Komplexität des Falls systematisch zu überblicken. Sich verändernde Konfliktkontexte (z. B. Regierungswechsel) können mit medialen Modi der Konfliktaustragung (z. B. Skandalisierung) und juristischen Verfahren der Konfliktregelung (z. B. Klagen vor dem Verwaltungsgericht) in Beziehung gesetzt werden. Der Mehrwert der Konfliktfeldanalyse besteht darin – so das empirisch abgestützte Argument – relativ schnell einen systematischen Überblick über einen Planungskonflikt zu gewinnen. Für weiterführende Analysen muss und kann die Planungswissenschaft auf „eigene“ analytische Ansätze zurückgreifen, wenn es etwa darum geht, Machtakte (Reuter 2004) oder den politischen Gehalt von Planung (Kühn 2017) scharf zu stellen. Inwiefern die Konfliktfeldanalyse Emotionen (z. B. innerhalb der Konfliktaustragung) analytisch-konzeptuell berücksichtigen könnte/sollte ist eine offene Frage, auf die ich dem von der Panel-Leitung vorgesehenen interdisziplinären Austausch eine Antwort suche.

Quellen:

Kühn, Manfred. 2017. Planung, Politik und Macht in Städten, disP - The Planning Review, 53 (2): 109-119.

Reuter, Wolf. 2000. Zur Komplementarität von Diskurs und Macht in der Planung, disP - The Planning Review, 36:141, 4-16.

Saretzki, Thomas. 2010. „Umwelt- und Technikkonflikte: Theorien, Fragestellungen, Forschungsperspektiven“. In Umwelt- und Technikkonflikte hrsg. v. Peter H. Feindt und Thomas Saretzki, 33-35. Wiesbaden: VS Verlag