Die Produktion reflexiven Wissens über Migration und ihre Räume in der und mit der Polizei
Abstract
Vor dem Hintergrund sich verändernder Migrationsdynamiken sind Polizeien weltweit zunehmend daran interessiert, Wissen über Migration zu produzieren. Sie sind Teil eines „migration knowledge hype“ (Braun et al. 2018), der „nationale Staatsapparate, inter- und transnationale Organisationen sowie gesellschaftliche Akteure wie Beratungsfirmen, Thinktanks, Stiftungen, NGOs“ (ebd.) mobilisiert. Auch in Deutschland hat die Ankunft einer großen Zahl von Geflüchteten während und nach dem sogenannten langen Sommer der Migration 2015 und der anschließende Ausbau der Förderstrukturen für angewandte Forschung in den Bereichen Migration und Flucht mehrere polizeilich geleitete oder begleitete Forschungsprojekte in Gang gesetzt. Seitdem wurden und werden an deutschen Polizeihochschulen, -akademien und anderen polizeilichen Lehr- und Forschungseinrichtungen „innovative und praxisnahe Ansätze zur Optimierung der migrationsbezogenen Polizeiarbeit“ (MIGRATE) entwickelt. Das Wissen, das in diesen Projekten hergestellt wird, zielt sowohl auf Praktiken der räumlichen Mobilität selbst als auch auf die Räume, in denen und durch die Praktiken der Migration vollzogen werden: auf Herkunftsregionen, Passagen, Routen und Trajektorien, auf Grenzen oder städtische Räume des Ankommens und Niederlassens. Geographische und raumsoziologische Beiträge liefern wichtige Einblicke in die Raumorientierung polizeilichen Handelns sowie in die Wissensbestände, die dieses Handeln informieren. Während solche Studien jedoch meist auf operative Aspekte der Polizeiarbeit fokussieren, nimmt mein Beitrag die reflexiven Aushandlungen in den Blick, in die diese Arbeit eingebettet ist. Dabei argumentiere ich unter Rückgriff auf Beiträge der feministischen STS (Puig de la Bellacasa 2012) und der kritisch-reflexiven Migrationsforschung (Bartels/Schäfer/Stielike in Vorbereitung; Dahinden 2016) für eine in doppelter Hinsicht raumsensible Forschung über Polizeiwissen: Einerseits plädiere ich dafür, die Rolle von polizeilichen Forschungsprojekten bei der Produktion bestimmter Räume der Migration ernster zu nehmen. Andererseits führe ich vor Augen, wie reflexive Räume des Austauschs in der und mit der Polizei dazu führen können, stark verräumlichte polizeiliche Vorannahmen über Migration zu hinterfragen. Dafür beziehe ich mich auf Interviewmaterial, dass ich im Rahmen eines gemeinsamen Seminars mit Studierenden der Migrationsforschung und einer Polizeihochschule zum Thema „Migration und Polizei“ erhoben habe. Damit liefert der Vortrag einen Beitrag zu zwei Forschungsfeldern: Zum einen erweitert er die an Wissensproduktionen interessierte geographische Forschung über Polizei um die reflexive Dimension von Polizeiarbeit. Andererseits bringt er die reflexive Migrationsforschung in Dialog mit der kritischen Kriminologie.