Polizei und Raum

Fachsitzung
Sitzungs-ID
FS-210
Termin
Mittwoch (20. September 2023), 09:00–10:30
Raum
SH 0.101
Sitzungsleitung
Roman Thurn (Neufahrn)
Kurz­be­schreib­ung
Die Session diskutiert Raumbezüge der Polizei auf der Grundlage aktueller empirischer Forschungsprojekte, legt Schnittstellen offen und identifiziert Forschungslücken im Hinblick auf Geografische und Humangeografische Fragestellungen.
Schlag­wörter
Politische Geographie, Carceral Geographies, Raum
Leon Rosa Reichle (Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft)
Polizeilicher Umgang mit Rassismus im räumlichen Kontext
Tim Lukas (Bergische Universität Wuppertal)
Josua Schneider (Bergische Universität Wuppertal)
Verändertes Raumwissen und die Förderung wechselseitigen Vertrauens von Polizei, Ordnungsdienst und Stadtgesellschaft

Abstract der Sitzung

Die Polizei stellt in vielfacher Weise eine raumbezogene wie auch raumproduzierende Institution dar. Die Relevanz von Raum innerhalb der Polizei spiegelt sich in dem zunehmenden Maß raumbezogener Strategien wider. Neben dem Community Policing und dem Maintenence Policing adressieren IT gestützte Verfahren wie das Predictive Policing konkrete Orte oder Areale. Somit bildet der physische Raum einen wesentlichen Handlungsrahmen für die polizeiliche Kriminalitätskontrolle (u. a. Herbert 1997; Belina 2011). Der Zugriff auf den Raum erfolgt auf der Grundlage informativ-signifikante Regionalisierungen (Hunold 2015). Hierbei findet eine Projektion polizeilich definierter Problemlagen auf Raumebene statt (ebd.: 209).

Dieser räumlich bezogenen Handlungsorientierung liegt ein institutionell verankertes Wissen über Räume zugrunde. Polizeiliches Erfahrungswissen, die Interpretation und Bedeutungszuschreibung von z. B. Orten, Straßen und Stadtteilen, Narrativen und institutionell gebundenen Diskursen stellen Bezugsquellen polizeilich relevanten Wissens über Räume als Grundlage polizeilichen Handelns dar (Hunold et al. 2020; ).

Entlang von polizeispezifischen Raumorientierungen (Hunold 2015) artikulieren sich im Hinblick auf die Standortgebundenheit von Wissen (Mannheim 2015) räumliche Normvorstellungen einer formalen und nach außen gerichteten Polizeikultur als auch der informellen Cop Culture (Behr 2008). Durch die vom Staat zugewiesene Deutungs- und Handlungsmacht erhält die Polizei damit nicht nur die Möglichkeit räumlicher, sondern darüber hinaus auch gesellschaftlicher Strukturierung. Belina (2011) spricht in diesem Zusammenhang von governing through crime through space und verweist damit aus einer kritisch-kriminologischen Perspektive auf die Relevanz des Raums bei der Kriminalisierung von meist marginalisierten Bevölkerungsgruppen, welche durch die Sanktionierung von Verhaltensweisen entsteht, die von der an bestimmte Räume geknüpften Normalitätserwartung der Polizeiakteure abweichen. Steve Herbert (1997: 169) konstatiert, dass polizeiliche Territorialität eine fundamentale Komponente der polizeilichen Gestaltungsmacht darstellt und in ihren Ausführungen als Mikrogeopolitiken staatlicher Macht zu verstehen sind. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die polizeilichen Raumkonstruktionen auf der Grundlage polizeilicher Wissensbestände und Handlungsweisen selbstreferenz genutzt werden, um die als nach wie vor in der Polizistenkultur tief verwurzelten polizeiliche Maskulinität zu legitimieren und die gegesellschaftliche Stellung der Polizei selbst zu sichern, indem gefährliche Orte ausgewiesen werden, die vermeintlich nur durch betont männlich-physisches Vorgehen zu bearbeiten sind (Brauer 2022).