Die Vorbereitung von Lehramtsstudierenden auf einen kultursensiblen Unterricht durch die kritische Reflexion über Privilegien und Benachteiligungen
Abstract
Migrationsgesellschaftliches Zusammenleben wird im Geographieunterricht im Rahmen interkulturellen Lernens bearbeitet. Dabei kommt es nicht selten innerhalb migrationsgesellschaftlichen Zugehörigkeitsordnungen zum Othering, wobei bestimmte Menschen und Gruppen zu „Anderen“ des imaginierten natio-ethno-kulturellen „Wir- Kollektivs“ erklärt und von bestimmten Abwertungstendenzen begleitet werden (Schröder 2019). Forschungsergebnisse deuten bereits darauf hin, dass Lehrer*innen im Umgang mit Schüler*innen mit Migrationshintergrund, aber auch Schüler*innen aus niedrigeren sozioökonomischen Verhältnissen und denen, die die Landessprache als Zweitsprache sprechen, eher zu einem Defizitdenken neigen (e. g. Valencia 2019, Fereidooni, 2012). Diese Überzeugungen können schädlich sein, da sie die strukturellen Hindernisse, denen diese Schüler*innen ausgesetzt sind, außer Acht lassen. Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen fordert die KMK (2013) im Rahmen des Beschlusses “Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule“ die Professionalisierung von (angehenden) Lehrer*innen sowie die Entwicklung von pädagogischen Handlungskonzepten im Umgang mit Vielfalt. Das Konzept des kultursensiblen Unterrichts (Gay 2018) bietet einen vielversprechenden Weg, um kulturellen, sozialen und ökonomischen Disparitäten im Unterricht zu begegnen. Ein wichtiges Element des kultursensiblen Unterrichts ist die kritische Reflexion, i. e. die Fähigkeit, aktuelle gesellschaftliche Verhältnisse kritisch zu analysieren und zu erkennen, welche unterschiedlichen Bedingungen den Zugang zu Chancen einschränken und Ungerechtigkeit aufrechterhalten. In dieser Studie wird untersucht wie das Identitätsprojekt (Juang et al. 2020; Umaña-Taylor & Douglass 2017) eine achtwöchige Intervention im Klassenzimmer, die (inter‑)kulturelles Lernen und Reflexionsmöglichkeiten für Schüler*innen und Lehrer*innen gleichermaßen bietet, das kritische Bewusstsein sowie die Selbstwirksamkeit kultursensiblen Unterrichtens bei Lehramtsstudierenden fördern kann. Mithilfe eines experimentellen Designs wurden halbstrukturierte Interviews mit acht Lehramtsstudierenden zu zwei Zeitpunkten vor und nach der Durchführung des Identitätsprojekts (Interventionsgruppe, n=4) bzw. in der regulären Praxisphase ihres Studiums (Kontrollgruppe, n=4) durchgeführt und mittels thematischer Analyse (Clarke et al. 2015) analysiert. Im Fokus der Untersuchung stehen die beiden Forschungsfragen: Inwieweit fördert die Durchführung des Identitätsprojekts 1) die kritische Reflexion über Privilegien und Benachteiligungen sowie 2) die Selbstwirksamkeit kultursensiblen Unterrichtens? Hierbei soll die Beziehung zwischen der kritischen Reflexion über Benachteiligung und Privilegien und ihrer Selbstwirksamkeit kultursensiblen Unterrichtens untersucht werden, um Ansätze für eine reflexiv-kritische und geographische Bildung in der in der Migrationsgesellschaft herauszuarbeiten.