Digital Water als eine ursprüngliche digitale Akkumulation? Ein theoretisch-konzeptioneller Streifzug zu analogen und digitalen Wassern aus kritisch geographischer Perspektive

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
SH 3.101
Autor*innen
Serge Leopold Middendorf (Universität Augsburg)
Christina Walter (Universität Augsburg)
Kurz­be­schreib­ung
Digital Water bedeutet die Transformation des Wassersektors durch neue Technologien. Wasser ist jedoch ein besonderes „Gut“. In diesem Beitrag soll gefragt werden, ob Digital Water als eine ursprüngliche digitale Akkumulation begriffen werden kann und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
Schlag­wörter
Politische Ökologie, Kritische Geographie, Wasser

Abstract

Wasser ist die Grundlage allen Lebens auf unserem „blauen Planeten“. Im Anthropozän und besonders im sogenannten Zeitalter der Digitalisierung, ist Digital Water ein wichtiges, wenn auch begrifflich relativ junges Forschungfeld. Digital Water beschreibt dabei die Transformation des Wassersektors. Durch die Nutzung von Sensoren, „digital twins“, „Big Data“ order „künstlicher Intelligenz“ und anderen „neuartigen Technologien“ soll das Wassermanagement transformiert werden. In Zukunft soll so die Qualität und Quantität von Wasserressourcen in nahezu Echtzeit überwacht werden und die so gewonnenen Daten weitergereicht werden. So könnten Konsumenten Ihren Wasserverbrauch besser nachvollziehen, Entscheidungsträger könnten informiertere Entscheidungen treffen oder Informationen über neue Investitionen schneller und direkter abrufen.

Wasser ist aber nicht irgendein Gut, sondern mit einigen wenigen anderen existentiell für die Aufrechterhaltung biologischer Organismen. Die Verteilung von, der Zugang zu, die Qualität und der Preis von Wasser sind daher von herausragender Bedeutung – nicht zuletzt in Städten. Wasser ist beispielsweise in Deutschland ein öffentliches Gut, woraus sich ein Versorgungsanspruch der Bevölkerung direkt ableitet. Doch dies ist andernorts keineswegs der Fall.

Wir leben in einer Welt, die größtenteils den Logiken der kapitalistischen Produktionsweise – verkürzt als Kapitalismus bezeichnet – unterliegt. Marx hat sich in seiner Betrachtung der kapitalistischen Produktionsweise auch mit ihrer Voraussetzung beschäftigt. Denn interessanterweise steht der Kapitalismus auf einem Fundament, das er nach seiner eigenen Mehrwertlogik nicht hervorbringen konnte. Die Voraussetzung für das „Ingangsetzen“ und „Selbstreproduzieren“ des Kapitalismus als „Perpetuum mobile“ war die „sogenannte ursprüngliche Akkumulation“.

Die Klassen der Proletarier und der Kapitalisten, also Produktionsmittelbesitzer entstand nach Marx durch eine Reihe von gewaltsamen Momente wie der Enteignung (durch Einführung von Eigentum als Rechtsverhältnis in der Auflösung feudaler Strukturen), freien Märkten, der Einführung von Lohnarbeit, eines Finanzsystems sowie des Kolonialismus.

Während einige die ursprüngliche Akkumulation als abgeschlossen und damit als historisches Ereignis betrachten, argumentieren andere, dass sich dieser Prozess beständig wiederholt. So können Phänomene wie land- oder watergrabbing ebenso als ursprüngliche Akkumulationen betrachtet werden wie auch die Privatisierung öffentlicher Infrastrukturen oder die Kommodifizierung von (ehemaligen) Gemeingütern.

Vor diesem Hintergrund wollen wir fragen, ob Digital Water und die damit verbundenen Entwicklungen als eine ursprüngliche Digitale Akkumulation betrachtet werden können. Dabei interessieren uns sowohl theoretische Fragen als auch die daraus resultierenden materiellen und (bio‑)politischen Konsequenzen. Dies soll unteranderem am Fall der Wasserversorgung in England nachvollzogen werden.