Neue Räumlichkeiten der Sozialen Frage(n): Bewegungsstrategien zwischen Digitalisierung, Transnationalisierung und Rekommunalisierung

Fachsitzung
Sitzungs-ID
FS-223
Termin
Mittwoch (20. September 2023), 09:00–10:30
Raum
SH 3.101
Sitzungsleitung
Peter Bescherer (Universität Jena)
Jenny Künkel (Universität Duisburg-Essen)
Gisela Mackenroth (Universität Jena)
Kurz­be­schreib­ung
Die Sitzung fragt, wie Soziale Bewegungen und Protest in Zeiten fortgeschrittener Neoliberalisierung, Soziale Frage(n) stellen können und welche – ermöglichenden oder hinderlichen – Rollen Raum dabei spielt.

Abstract der Sitzung

In Zeiten fortgeschrittener Neoliberalisierung und Individualisierung mangelt es Protest und Bewegungen oft an zeitlichen, organisatorischen und finanziellen Ressourcen. Klassische Institutionen der kollektiven Organisierung wie Gewerkschaften und Parteien haben an Mitgliedern und Verhandlungsmacht verloren. Zudem stellt die erleichterte Raumüberwindung mächtiger Akteur\*innen und Prozesse (wie Unternehmen und Kapitalverwertung) die Sozialen Bewegungen ebenso vor Herausforderungen wie damit verknüpfte Konkurrenzen auf verschiedenen politischen Scales (nicht zuletzt zwischen Nationalstaaten), die eine Einhegung globaler Prozesse wie zum Beispiel der fortgeschrittenen Umweltzerstörung erschweren.

Eine räumliche Perspektive zeigt jedoch zugleich verschiedene Potentiale, gegenwärtige soziale und ökologische Probleme gesellschaftspolitisch zu verhandeln und zu bearbeiten: So bietet der digitale Raum neue Möglichkeiten für eine Demokratisierung und Globalisierung sowie für eine – ambivalente – Radikalisierung von politischer Mitsprache. Bewegungsstrategien der Transnationalisierung, welche Local und National Traps überwinden, sowie die Rekommunalisierung lokaler sozialer Infrastrukturen deuten auf neue Formen der Nutzung von Stadt/Raum als Chance für soziale und ökologische Gerechtigkeit hin. Dabei entwickelt sich der umkämpfte Raum selbst zum zentralen Bewegungsthema. So hat nicht zuletzt der Aktivismus gegen Gentrifizierung, die Finanzialisierung des Wohnungsmarkts und steigende Mieten angesichts der zentralen Bedeutung von Wohnkosten für die Lebensqualität und von Stadt als Partizipationsraum an Bedeutung gewonnen. Die Klimabewegung erklärt auch den unbelebten Raum zum zentralen schützenswerten Gut. Hiermit wird Raum auch jenseits der Stadt Ansatzpunkt sozialer Bewegungen.

Die Sitzung, die an einen im Entstehen begriffenen Sammelband „Der Bewegungsraum und die Soziale Frage“ (vgl. https://protestinstitut.eu/uber-das-institut/arbeitskreise/ak-stadtraum) anknüpft, aber dezidiert auch darüber hinausgehende Beiträge einlädt, fragt angesichts dieser Entwicklungen: Welche Rolle spielt Raum für das Stellen der „Sozialen Frage“, die aus intersektionaler Betrachtung stets nur im Plural bzw. divers zu haben ist?