Eigentümerstrukturen in ostdeutschen Großwohnsiedlungen: Das moyenne durée der postsozialistischen Transformation

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
SH 2.109
Autor*innen
Matthias Bernt (Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS))
Kurz­be­schreib­ung
Der Vortrag beleuchtet den Wandel von Eigentumsstrukturen in ostdeutschen Großwohnsiedlungen. Er diskutiert die Vorteile und Fallstricke einer historisch-soziologischen Methode, die auf einer engen Rekonstruktion der Entwicklung an spezifischen Orten aus unterschiedlichen Datenquellen basiert.
Schlag­wörter
Eigentümerstrukturen, Finanzialisierung, Großwohnsiedlungen, postsozialistishe Transfromation, historisch-soziologische Methode

Abstract

Ostdeutsche Großwohnsiedlungen sind in den letzten beiden Jahrzehnten zum Schauplatz einer verstärkten Konzentration einkommensschwacher Haushalte geworden. Gleichzeitig wurden erhebliche Umschichtungen der Hauseigentümerstruktur in diesen Gebieten dokumentiert. Nationale und internationale Investoren haben gerade hier erhebliche Wohnungsbestände erworben und sind neben kommunalen und genossenschaftlichen Eigentümern zu einer strukturbestimmenden Größe geworden. Der Vortrag diskutiert den Zusammenhang zwischen beiden Entwicklungen. Dabei konzentriert er sich auf zwei zusammenhängende Themen:

Auf der Basis von empirischen Forschungen in Halle-Neustadt und Schwerin – Großer Dreesch zeichnet er zum Einen die Geschichte von Eigentümerwechseln im ostdeutschen „Plattenbau“ nach. Er nimmt dabei eine historische Perspektive ein und beleuchtet, wie die heutigen Eigentümerstrukturen mit der Transformationsgeschichte Ostdeutschlands eng verwoben sind.

Zum zweiten wird gezeigt, auf welche Art und Weise die relative Verarmung von Großwohnsiedlungen mit der Veränderung von Eigentumsstrukturen zusammenhängt. Dabei sind zwei Trends bestimmend: Zum einen kommt es zu einer „Residualisierung“ kommunaler Wohnungsbestände (Forrest und Murie 1983), die verstärkt für die Versorgung von Haushalten in Anspruch genommen werden, die sich am Markt nicht selbst versorgen können. Aufgrund der ungleichen räumlichen Verteilung kommunaler Wohnungen führt dies zu einer Konzentration armer Haushalte in den Großwohnsiedlungen. Zum anderen ist die Vermietungspolitik der Finanzinvestoren ist durch enge Renditevorgaben gekennzeichnet. Angesichts einer eher verhaltenen Nachfrage nach den von ihnen verwalteten Beständen vermieten sie ihre Wohnungen auch an Bevölkerungsgruppen, die von anderen Vermieter*innen gemieden werden. Zusammen wirken diese Entwicklungen wie eine „Segregationsmaschine“, die eine laufende Verschiebung einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen in die Großwohnsiedlungen bewirkt

Der Lightning Talk konzentriert sich auf die Diskussion der für die Analyse dieser Entwicklungen angewandten Untersuchungsansätze. Der Vortrag beleuchtet das Zusammenwirken der in der empirischen Untersuchung angewandten Methoden und diskutiert die Möglichkeiten und Grenzen von der Auswertung von Grundbuchdaten, Eigentümer*innen- und Expert*inneninterviews, sowie der Analyse von Planungsdokumenten. Er wirbt dabei für Untersuchungen, die eine längere zeitliche Perspektive einnehmen, und für eine auf Fallstudien gestützte Vorgehensweise.