Wem gehört die Stadt? Zur Relevanz von Eigentum für die Finanzialisierung der Städte
Abstract der Sitzung
Immobilienbesitz gehört zu den bestgehüteten Geheimnissen in Deutschland. Sowohl für Wissenschaftler:innen, Journalist:innen, wohnungspolitische Initiativen als auch viele Akteur:innen in Politik und Verwaltung existieren oft unüberwindbare Hürden, auf grundstücksscharfer Ebene substantielles Wissen über Eigentumsverhältnisse in Erfahrung zu bringen. Die Intransparenz des Immobilienmarktes stellt die Wohnungsforschung und -praxis vor erhebliche Herausforderungen. Angesichts der rasanten Preissteigerungen bei Boden‑, Kauf- und Mietpreisen in der letzten Dekade fehlt es an geeigneten Instrumenten, um strukturelle Veränderungen beim Immobilienbesitz fassen und analysieren zu können. So ist es kaum möglich, empirisch belastbare Daten zum tatsächlichen Einflussgewinn „finanzindustrieller“ Wohnungsunternehmen und anderer institutioneller Investoren als neue Eigentümer und Projektentwickler zu erheben. Es sind aber genau diese big player, die auf angespannten Wohnungsmärkten einen besonderen Einfluss und Marktmacht besitzen und hier unterschiedliche Strategien der Renditemaximierung verfolgen, die Mieter:innen erheblich unter Druck setzen. Ergo birgt die fortschreitende Finanzialisierung der Städte ein erhebliches Potential für soziale und politische Verwerfungen und stadträumliche Transformationsprozesse. Wie sich damit Eigentumsverhältnisse in deutschen Großstädten de facto verändern und verändert haben und welche Folgen das für Mieter:innen hat, konnte bislang allerdings – aufgrund der gesetzlichen Hürden – nicht umfassend erforscht werden. Dabei ist die Frage nach Eigentum von Wohnraum längst nicht mehr nur eine individuelle, sondern essentiell mit der Wohnungsfrage als der sozialen Frage des 21. Jahrhunderts verknüpft.
Das Ziel dieser Sitzung ist es, unterschiedliche Perspektiven der geographischen Wohnungsmarktforschung auf Finanzialisierung und Eigentum in einen fruchtbaren Austausch zu bringen und in Dialog zu treten über neue Wege der Sichtbarmachung städtischer Eigentumsverhältnisse. In diesem Sinne laden wir Forschende, explizit aber auch in der wohnungspolitischen Praxis tätige Akteur:innen ein, Kurzvorträge vorzustellen, bspw. in Form von Theorieinputs, empirischen Arbeiten, Erfahrungsberichten und Praxisbeispielen. Die Vorträge können sich dabei, müssen sich aber nicht ausschließlich, mit folgenden Fragen beschäftigen:
- Was bedeutet die (Nicht‑)Kenntnis von Eigentumsverhältnissen für das städtische und nachbarschaftliche Zusammenleben?
- Welche innovativen Methoden, Chancen und Möglichkeiten gibt es, Eigentumsketten und Finanzflüsse für eine breitere Öffentlichkeit transparent und verständlich zu machen? Wo liegen hier mögliche rechtliche, politische, kognitive Hürden?
- Welche Rolle spielt Eigentum für die Finanzialisierung von Wohnraum in Mietennationen wie Deutschland? Welche unterschiedlichen Konzeptionen von Eigentum können das praktische und theoretische Verständnis von Finanzialisierung schärfen?