Emanzipatorische Ländlichkeiten: Biking commonauts travel the rhizome

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
SH 1.109
Autor*innen
Lukas Dörrie (Universität Kassel)
Kurz­be­schreib­ung
Das //KOMPOST Ensemble präsentiert die Ergebnisse einer künstlerisch-partizipativen Forschungsreise durch Nordhessen im Jahr 2022. Mit 'Biking commonauts travel the rhizome' tragen sie zur Dezentralisierung von Wissen für emanzipatorische Ländlichkeiten bei.

Abstract

Auf der Suche nach emanzipatorischen Ländlichkeiten begab sich unser //KOMPOST Ensemble im Spätsommer 2022 auf eine Reise durch Nordhessen. Emanzipatorische Ländlichkeiten sind von Akteuren konstruierte Räume, Strukturen oder Relationen, die Möglichkeiten für ein freies und verantwortungsvolles Mit- und Füreinander (Freiheit) produzieren. In 10 Tagen radelten wir also von Marburg bis nach Kassel und besuchten unterwegs Menschen und Orte, die sich als Commons organisieren. Mit künstlerisch-partizipativen Formaten machten wir alte und neue Praktiken des Commoning im ländlichen Nordhessen sichtbar. Auf dem Rad erfuhren wir ein Rhizom ländlichen Wissens und hinterließen viel-dimensionale Spuren zwischen den Menschen, den Orten und digitalen Infrastrukturen. Damit erweiterten wir den meist in Städten geführten Diskurs über eine soziale und ökologische Transformation um ländliche Perspektiven. Bei unseren Grenzgängen durch alte, neue, rurbane und widersprüchliche Welten erlebten wir dörfliche Wüsten, ländliche Klischees, widerständige „Zugezogene“, urbane Mitbringsel, faschistisches Erbe und ungewohnt viel Speck. Wir sammelten dezentrales Wissen über emanzipatorische Ländlichkeiten, dokumentierten es mit Tischdecken, Poesie, Sound und Gesprächen und präsentierten es zunächst im Ruruhaus auf der documentafifteen. Schließlich bleiben aber viele Fragen: Was ist schon ländlich? Ist der Widerspruch zwischen Bekanntem und Unbekanntem tatsächlich universal? Und kann Commoning die langfristige Pflege des Lebens in den Fokus unserer alltäglichen Gesellschaft rücken?

//KOMPOST ist unbestimmt, oft lose verteilt, mal verdichtet, beziehungsweise zusammengezogen. Sporadisch sind wir ein emanzipatorisch-transformatives Ensemble, das zusammen Kaffee trinkt. Wir sind flexibel! Wir vermitteln zwischen Welten, verwandeln verlebtes, ländliches Substrat, vernetzen landlustige Kritter und lassen Landschaft sozial-ökologisch erblühen! Als ‚Community of Compost‘ überwinden wir das große Zaudern und lassen durch radikales, kollektives Handeln eine „turbulente, aber generative Zeit der Umkehrung aufbrodeln […], eine Zeit der Revolte, der Revolution und der Wiederbelebung“ (Haraway, 2018 S. 201). Also komplementieren wir Kunst, Wissenschaft, politische Bildung, Musik und Performance, Landwirtschaft und ländliche Gestaltung und schaffen so ein neues Verständnis-Konstrukt für eine Welt nach dem Kapitalozän. Damit schaffen wir einen Beitrag „to a rural art [and knowledge] practice that works from within rural situations, and often together with rural communities” (Myvillages, 2019, S.13).