Ende ohne Kreislauf, Kreislauf ohne Ende: Vermarktlichung von Bau- und Abbruchabfällen
Abstract
Wir leben derzeit, und auch zukünftig, in von Müll und Abfall „permanent verschmutzten Welten“ (Liboiron et al. 2018). Mengenmäßig sind dabei Bauabfälle der bedeutendste Abfallstrom, denn z.B. in Deutschland sind mehr als die Hälfte des insgesamt anfallenden Mülls Bau- und Abbruchabfälle (Abfallstatistik 2020). Diese sehr heterogene Abfallsorte ist im Gegensatz zu anderen Müllsektoren bislang kaum aus einer kritisch-sozialwissenschaftlichen Perspektive untersucht worden. Dabei ist der politisch-regulative Kontext im Bereich Bau- und Abbruchabfallverwertung und -entsorgung entscheidend dafür, welche Materialitäten als Müll und Abfall entsorgt und welche als Ressourcen wiederverwertet werden. Dieser Kontext wird derzeit massiv durch das prominente Konzept der Kreislaufwirtschaft umgeschrieben, wodurch sich auch die sozial-räumlichen Relationen der Baustoffverwertung und -entsorgung verändern.
Im dem Versuch, Bau- und Abbruchmaterialien in einen Kreislauf zu bringen, bringt der regulative und politische Kontext Märkte für sogenannte Sekundärbaustoffe hervor. Diese Stoffe sind zum einen das Resultat eines materiellen Recyclingprozesses und zum anderen das Ergebnis einer symbolischen Umdeutung von Bau- und Abbruchabfällen als Ware. Die entstehenden Märkte wiederum können prozesshaft, als sozio-technische Gefüge (Callon 1998) verstanden werden, wobei insbesondere die Betrachtung von Marktstrukturen und deren Formbarkeit und Gemachtheit in den Vordergrund rückt (Berndt & Boeckler 2020, 2022).
Darauf aufbauend möchte ich am Beispiel der Bau- und Abbruchabfälle darstellen, wie durch die Einführung regulativer Elemente zur Entwicklung eines Materialkreislaufs Marktgefüge entstehen und (re‑)produziert werden. So möchte ich diskutieren, wie eine Kreislaufwirtschaft im Bereich Bau- und Abbruchabfallverwertung und -entsorgung bestehende Verwertungs- und Entsorgungsregime verändert. Diese Diskussion kann – besonders im Rahmen der Waste and Discard Studies (Gille & Lepawsky 2022, Liboiron & Lepawsky 2022) gedacht – dazu dienen, Prozesse der Verwertung und Entsorgung im Kontext der sozial-räumlichen Verhältnisse deren Produktion zu betrachten. So kann ein besseres Verständnis der symbolischen Umdeutungen von Abfall zu Ressource im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft deren bislang mangelhafte wissenschaftliche Konzeptualisierung (Kirchherr et al. 2018) zu verbessern und Erkenntnisse über die gesellschaftlichen Verhältnisse von Ressourcenabbau und Müllerzeugung generieren.