Fachlichkeit, fachpolitische Interessen und Vielperspektivität: Curriculare Überlegungen zur geographischen Bildung in der Grundschule

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
SH 2.105
Autor*innen
Inga Gryl (Universität Duisburg-Essen)
Kurz­be­schreib­ung
Dieser Beitrag zeichnet Herausforderungen der Überarbeitung des Perspektivrahmens Sachunterricht in Bezug auf die geographische Perspektive nach und widmet sich den theoretischen Begründungen der Neugestaltung, im Bewusstsein der Einbettung curricularer Dokumente in ein institutionelles Netzwerk.

Abstract

Der Perspektivrahmen Sachunterricht – die informellen Bildungsstandards dieses Grundschulfachs, die durch die insbesondere in der universitären Fachdidaktik verortete Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts entwickelt werden – ist zum Zeitpunkt der Einreichung dieses Beitrags in Überarbeitung. Dies ist eine Chance, auch die Rolle geographischer Bildung in der Grundschule erneut zu reflektieren und die Konzepte zu überarbeiten und zu aktualisieren, etwa bzgl. aktueller fachdidaktischer Ansätze und fachlicher Entwicklungen wie feministische Geographie und Geographie in einer Kultur der Digitalität. Die geographische Perspektive ist im Perspektivrahmen Sachunterricht als eine der fachlichen Perspektiven (neben Technik, Sozialwissenschaften, Naturwissenschaften und Geschichte) explizit verortet und ermöglicht so einen Anschluss der Grundschulvermittlung an das Fach Geographie/Erdkunde der Sekundarstufe I, und zugleich disziplinäre Wissenschaftsorientierung.

Dieser Beitrag zeichnet Herausforderungen der Überarbeitung des Perspektivrahmens in Bezug auf die geographische Perspektive aus einer Innensicht der Beteiligung an der Überarbeitung nach und widmet sich insbesondere den herangezogenen theoretischen Begründungen, im gleichzeitigen Bewusstsein der Einbettung curricularer Dokumente in ein institutionelles Netz, das nicht frei von Normativität ist. Ein besonders interessanter Punkt bzgl. einer kohärenten Darstellung der geographischen Perspektive ist dabei der der Vielperspektivität des Sachunterrichts. Diese ergibt sich daraus, dass Sachunterricht sich an kindlichen Lebenswelten orientieren soll, deren Phänomene keinen disziplinären Grenzen gehorchen. Demzufolge muss die Aneignung der Lebenswelt verschiedene fachliche Perspektiven zusammenführen und verschränken. Die geographische Perspektive aber verschränkt im Sinne von ‚drei Säulen‘ bereits verschiedene fachliche Epistemologien, etwa mit Gesellschaft-Natur-Systemen. Diese können aber wiederum als perspektivenvernetzender Bereich zwischen sozialwissenschaftlicher und naturwissenschaftlicher Perspektive verstanden werden. Soll die geographische Perspektive nun das volle Potential des Fachs Geographie abbilden, was nicht nur fachpolitisch durch viele gewünscht wird, sondern sich auch im Sinne einer Anschlussfähigkeit anbietet, dann ergeben sich hierbei einige Redundanzen oder Inkonsistenzen im zukünftigen Perspektivrahmen. Zugleich ergibt sich daraus auch die Chance, selbst im Sachunterricht oftmals noch nicht ideal laufende vielperspektivische Arbeiten durch Erfahrungen aus geographischer Bildung zu fördern. Neben der Darstellung von Bezugstheorien werden auch, ebenfalls aus Beteiligtenperspektive, Vergleiche zu den aktuellen Entwicklungen der Bildungsstandards Geographie der Sekundarstufe II hergestellt, was Hinweise zu den Möglichkeiten der Herstellung von Konsistenz der Vermittlung zwischen Grundschule und Sekundarstufe gibt.