Fallstricke in der Klimakommunikation durch kognitive Verzerrungen

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
SH 0.105
Autor*innen
Sibylle Reinfried (PH Luzern)
Kurz­be­schreib­ung
Kognitive Verzerrungen von Lehrpersonen beeinflussen die Klimakommunikation im Schulalltag. Sie führen zur selektiven Wahrnehmung von Fakten, was zu falschen Schlussfolgerungen verleitet, die sich im Unterricht auswirken. Unkenntnis von kognitiven Verzerrungen beeinträchtigt auch die professionelle Selbstentwicklung von Lehrpersonen.

Abstract

In diesem Beitrag geht es um die Beobachtung, dass kognitive Verzerrungen die professionelle Selbstentwicklung von Lehrpersonen beinträchtigen können. Thematisch geht es um die Tiefe des Verständnisses der Ursachen des Klimawandels und wie dieses Verständnis die gesamte Unterrichtsplanung und -durchführung beeinflusst.

Am Beispiel von zwei Fallstudien wird gezeigt, wie systematische Denkfehler (kognitive Verzerrungen oder Cognitive Biases) zu unzuverlässigem Denken führen, ohne dass dies von Lehrpersonen bemerkt wird. In einer Pilotstudie wurde der Wissensstand von erfahrenen Lehrpersonen der Sekundarstufe 1 im Fach Geographie im Rahmen eines halbstandardisierten Interviews erhoben. Eine Lehrperson äusserte ein weitgehend korrektes, wissenschaftsbasiertes Verständnis des Klimawandels, die zweite Lehrperson äusserte Zweifel am anthropogen verursachten Klimawandel und hatte lücken- und fehlerhaftes Wissen (Reinfried & Künzle, 2019). Die Lehrpersonen erhielten anschliessend den Auftrag, in ihrem Unterricht mit Lernmaterial zu arbeiten, dass von Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktikern auf der Grundlage des aktuellen Standes der Klimaforschung und der Vorstellungsforschung über den Klimawandel entwickelt wurde (Éducation21, 2019). Die Analyse der Schülerarbeitshefte zeigte, dass die zweite Lehrperson das ihr vorgegebene Lernmaterial so interpretierte und verarbeitete, dass es ihre bestehenden Vorstellungen erfüllte, wodurch sich unbemerkt Ungenauigkeiten und Fehler in ihren Unterricht einschlichen.

Verzerrtes Denken entspricht quasi dem Standardmodus des menschlichen Denkens. Deshalb laufen nicht nur Lehrpersonen, sondern alle Menschen ständig Gefahr, durch ihr Gehirn in die Irre geführt zu werden. Da Lehrpersonen nicht immer alle geographischen Konzepte, die sie unterrichten sollen oder wollen, fachlich in genügender Tiefe durchdringen können, riskieren sie, falsche Schlüsse zu ziehen und Fachkonzepte fehlerhafte zu vermitteln. Deshalb wird postuliert, dass kognitionspsychologische Grundlagen auch in der Geographiedidaktik am Beispiel von konkreten fachlichen Konzepten diskutiert werden sollten, um ein Bewusstsein für das Phänomen der kognitiven Verzerrungen zu schaffen, eigene Denkfehler zu identifizieren und sich damit auseinandersetzen. Diese Kompetenz ist ein wichtiger Aspekt der berufliche Entwicklung von Lehrpersonen, die schliesslich von ihnen das gesamte Berufsleben hindurch gefordert ist.

Literatur

Éducation 21 (2019): Klimawandel, Klimaschutz und Klimapolitik.

https://www.education21.ch/de/themendossier/klima#edu21-tab6 (12.3.23)

Reinfried, S. & Künzle, R. (2019). Deutungsmuster des Klimawandels in den Aussagen von Lehrpersonen und Konsequenzen für die Klima-Kommunikation im Unterricht. Zeitschrift für Geographiedidaktik (ZGD) 47(2), 44-59.

https://zgd-journal.de/index.php/zgd/article/view/24/12 (12.3.2023)