Feministisch und flächensparend Wohnen auf dem Land? Eine qualitative Studie zu Chancen und Ambivalenzen ländlicher Mehrfamilienhäuser
Abstract
Feministische Wohnforschungen stellen heraus, dass die Wohnform im ländlichen Eigenheim als Materialisierung von Fürsorge und heteronormativen Familienidealen verstanden werden kann (Böcker u.a. 2020, 22f.). Viele wohnungspolitische Instrumente zielen seit Langem auf die Förderung des Einfamilienhauses (EFH) und können somit aus feministischer Perspektive als Verstärkung patriarchaler und bürgerlicher Geschlechterverhältnisse kritisiert werden (vgl. Latocha 2021). Auch in Diskursen der nachhaltigen Transformationsforschung und Regionalplanung wird zunehmend Kritik am EFH geübt, da dieses weiterhin zu einem starken Flächenverbrauch insbesondere in ländlichen Räumen beiträgt (Böcker u.a., 23ff.).
Neben der Wohnform im EFH sind deshalb vor allem Wohnformen in Bestandsgebäuden, sowie in flächensparenden Mehrfamilienhäusern (MFH) von ökologisch-nachhaltigem Interesse. Egal ob zur Miete oder in Eigentumswohnungen, das Wohnen in neu gebauten oder bestehenden Mehrfamilienhäusern ist bereits eine relativ verbreitete Wohnrealität in ländlichen Räumen, die allerdings sowohl diskursiv als auch wohnungspolitisch marginalisiert wird. Ebenso sind wissenschaftliche Erkenntnisse zu Wohnen in ländlichen MFH rar und das obwohl sich für feministische und ökologisch-nachhaltige Wohnforschungen spannende Fragen aufdrängen: Für wen und wieso sind Miet- oder Eigentumswohnungen in MFH in ländlichen Räumen (nicht) attraktiv? Inwiefern bieten die MFH Chancen oder Fallstricke für alternative Wohnräume abseits eines heteronormativen Familienideals innerhalb des ländlichen Raumes? Und schlussendlich: Bergen ländliche MFH das Potential, um feministische Wohnideale (bspw. günstiges und gemeinschaftlich organisiertes Wohnen) und nachhaltige Flächenpolitik in ländlichen Räumen zu vereinen?
In meinem Beitrag möchte ich zum einen ländliche Mehrfamilienhäuser als relevanten Forschungsgegenstand für die feministische Wohnforschung darstellen. Zum anderen möchte ich das Format meines 10-monatigen Forschungsprojektes vorstellen, welches als Komplementärforschung zu einem Drittmittelprojekt angelegt ist und sich zum Ziel setzt, feministische Analyseperspektiven in eine laufende Forschung zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung zu integrieren. Diesbezüglich möchte ich Potentiale und Herausforderungen diskutieren, die mit einer nachträglichen Integration von feministischen bzw. geschlechtersensiblen Perspektiven in ein interdisziplinäres Forschungsprojekt einhergehen.
Böcker, Maike, Henning Brüggemann, Michaela Christ, Alexandra Knak, Jonas Lage, und Bernd Sommer. 2020. Wie wird weniger genug? Suffizienz als Strategie für eine nachhaltige Stadtentwicklung. München: oekom. https://doi.org/10.14512/9783962388041.
Latocha, Tabea. „Beziehungsweise(n) wohnen – Feministische Gedanken zum Wohnen in der Krise“. weiter denken. Journal für Philosophie, Februar 2021. https://weiter-denken-journal.de/herbst_2021_wohnen/Beziehungsweise_Wohnen.php.