Figurationen von Wohnungslosigkeit in urbanen Settings

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
HZ 15
Autor*innen
Frank Sowa (TH Nürnberg)
Marco Heinrich (TH Nürnberg)
Nora Sellner (TH Nürnberg)
Anna Xymena Tissot (TH Nürnberg)
Kurz­be­schreib­ung
In unserem Beitrag möchten wir das soziale Phänomen der Wohnungslosigkeit in urbanen Settings als städtische Figurationen theoretisch fassen und die Konsequenzen für die durch Othering-Prozesse als „wohnungslos“ bezeichneten Menschen eruieren.

Abstract

Die gesellschaftliche Konstruktion des sozialen Problems der Wohnungslosigkeit bringt als eine Form des doing social problems (Groenemeyer) Rechtsnormen hervor, die von Sozialarbeitenden und Verwaltungsfachkräften als street level bureaucrats (Lipsky) in bestimmten Organisationen, die zur Bearbeitung von Wohnungslosigkeit beauftragt werden, umgesetzt werden. Dadurch sind bereits bestimmte Beziehungsgeflechte genormt und vorbestimmt, so dass sich Handlungsmuster und Handlungserwartungen etablieren. In unserem Beitrag werden solche Beziehungsgeflechte als Figurationen (Elias) verstanden. Diese städtischen Figurationen hängen im Bereich der Wohnungslosigkeit davon ab, wie das soziale Problem der Wohnungslosigkeit gesellschaftlich verstanden wird, wie das Netzwerk der sozialen Interdependenz konstruiert wird und welche Machtbeziehungen die Akteure haben. Im deutschen Wohlfahrtsstaat wird Wohnungslosigkeit beispielsweise als Sicherheitsproblem behandelt. Wenn Menschen in Deutschland ihre (mietrechtlich gesicherte) Wohnung verlieren und (unfreiwillig) obdachlos werden, ist jede Stadt oder Gemeinde verpflichtet, sie in einer vorübergehenden Unterkunft wie einer Notunterkunft unterzubringen. Diese sogenannte ordnungsrechtliche Unterbringung lässt sich rechtlich als Aufgabe der kommunalen Polizeibehörden (z.B. Sicherheits‑, Verwaltungs- oder Ordnungsbehörden) begründen, da diese Gefahren für die öffentliche Sicherheit abwenden und Ordnung und Sicherheit aufrechterhalten sollen. Auf diese Weise konstruiert das deutsche Wohlfahrtssystem auf der Grundlage rechtlicher Prinzipien städtische Figurationen sozialer Kontrolle, die wohnungslose Menschen in kommunalen oder sozialarbeiterischen Räumen regulieren. Alternative Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum werden aufgrund gesellschaftlicher Vorstellungen von Öffentlichkeit und Privatheit, unternehmerisch orientierter Städte und urbaner Sicherheit im Sinne von Kriminalitätsprävention oft verweigert. In unserem Beitrag möchten wir das soziale Phänomen der Wohnungslosigkeit in urbanen Settings als städtische Figurationen theoretisch fassen und die Konsequenzen für die durch Othering-Prozesse als „wohnungslos“ bezeichneten Menschen eruieren. Hierfür greifen wir auf empirisches Datenmaterial zurück, das im Rahmen von mehreren qualitativen Forschungsprojekten über Wohnungslosigkeit erhoben wurde.