Geographien der Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland?
Abstract der Sitzung
Während sich gerade in der englischsprachigen Geographie und darüber hinaus seit den 1980er Jahren eine vielseitige, interdisziplinäre Auseinandersetzung mit sogenannten geographies of homelessness entwickelt hat, beobachten wir bis heute eine Leerstelle bezüglich der Thematik der Obdach- und Wohnungslosigkeit in der deutschsprachigen Geographie. Nur punktuell greifen einzelne Geograph:innen die Thematik auf, häufig handelt es sich dabei um Arbeiten, die ihren Fokus auf punitive Logiken und Phänomene der Verdrängung aus dem öffentlichen Raum (z.B. im Kontext von Großevents oder defensive architecture) richten.
Vor dem Hintergrund zunehmender Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland und der sich immer stärker diversifizierenden Ausprägungen und Herausforderungen sehen wir zahlreiche Fragestellungen, dynamische Themenfelder und vielfältige Anknüpfungspunkte für geographische Forschungsarbeiten in Deutschland.
Wir freuen uns in der Session Arbeiten kennenzulernen, welche Obdach- und Wohnungslosigkeit jenseits von Fragen der Verdrängung aus öffentlichen Räumen diskutieren und zur Diversifizierung der geographischen Wissensproduktion zur Thematik in Deutschland beitragen, indem sie Fragestellungen bearbeiten, die bspw. den Fokus legen auf:
- embodied homelessness: verkörperte und emotionale Dimensionen der Obdach- und Wohnungslosigkeit
- zielgruppenspezifische Erfahrungen (alte Menschen, Punx, Transpersonen, Migrant:innen, etc.) und intersektionale Verwobenheiten von Obdach- und Wohnungslosigkeit
- Grauzonen und Übergänge zwischen prekärem Wohnen, Obdach- und Wohnungslosigkeit; Wohnungsverluste und Zwangsräumungen
- (Stadt)Politiken und Praktiken im Umgang mit Obdach- und Wohnungslosigkeit
- Ambivalenzen von Hilfe und Kontrolle in institutionellen Räumen; carceral continuum von Haft und Wohnungslosigkeit
- transnationale Obdach- und Wohnungslosigkeit; Wohnungslosigkeit im europäischen Grenzregime, Sozialpolitik als Migrationskontrolle
- Historische Entwicklungen (Wandernde, Vagabund:innen, „Nichtsesshaftigkeit“ etc.); Genealogien der Grenzziehung zwischen „sesshaften“ und „nichtsesshaften“ Populationen
- Visuelle Regime und stereotype Darstellungen urbaner Armut in öffentlichen Debatten und in der Forschung zu Obdach- und Wohnungslosigkeit
- Reflexion theoretischer und methodologischer Positionen sowie forschungsethischer Herausforderungen
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