„From nowhere to now here“: Reale Utopien als Orientierungspunkte einer transformativen geographischen Bildung

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
SH 3.101
Autor*innen
Holger Jahnke (Europa-Universität Flensburg)
Kurz­be­schreib­ung
In einem Selbstverständnis von Geographie als Beschreibung und Analyse der gegenwärtigen Welt wurden Utopien bislang in der geographischen Bildung vernachlässigt. Sowohl klassische Gesellschaftsutopien als auch reale Utopien bergen jedoch ein transformatives Bildungspotenzial, da sie als Orientierungspunkte für individuelle und kollektive Veränderungsprozesse fungieren können.
Schlag­wörter
Utopien, Transformative Bildung, Geographische Bildung

Abstract

Utopien verweisen auf etwas Abwesendes und Fiktionales, welches dem Geist entspringt, aber auf die Wirklichkeit des Hier und Jetzt wirken kann. Durch die Überschreitung der Grenzen des Realen können sowohl (anziehende) Utopien als auch (abschreckende) Dystopien das Denken und Handeln von Individuen oder Gruppen (des)orientieren und als Bildungsmedien eine transformativ-emanzipatorische Wirkung entfalten. Wie aber lässt sich die Bildung mit Utopien in einer Disziplin verorten, welche sich in ihrem Selbstverständnis lange Zeit dem Positivismus verschrieben hat und in der das Denken jenseits der empirischen Wirklichkeit bis heute mit Skepsis betrachtet wird?

Erhebt man an geographische Bildung einen transformativ-emanzipatorischen Anspruch, dann sollten nicht nur dystopische Bilder und Analysen – etwa zu den Folgen des Klimawandels – sondern auch die Auseinandersetzung mit vergangenen und gegenwärtigen Utopien Teil der geographischen Bildungsarbeit sein. Utopien sind zunächst imaginierte „Nicht-Orte“, an denen sich die Vorstellungen einer anderen, besseren Welt sprachlich manifestieren. Durch ihre Darstellungen in literarischen Texten und Bildern werden sie denkbar, medial erlebbar und emotional erfahrbar – und damit potenziell realisierbar.

Reale Utopien bezeichnen existierende Orte, die als positiv konnotierte Heterotopien zumindest teilweise die strukturellen gesellschaftlichen Bedingungen transzendiert haben. Auf der einen Seite lassen sie sich aufgrund ihres unerreichbar anmutenden Charakters im Reich des Utopischen verankern; auf der anderen Seite sind sie aufgrund ihrer materiellen und erfahrbaren Existenz Teil der empirisch fassbaren Realität. Die Beschäftigung mit realen Utopien kann somit als Orientierungshilfe in der geographischen Bildung dienen.