Gegen das Risiko des alltäglichen Todes: Soziomaterielle Einflüsse auf den verwalterischen Umgang mit der kritischen Infrastruktur Stadtgrün
Abstract
Stadtgrün muss im Zuge der Klimawandelanpassung und des Klimaschutzes, insbesondere mit Bezug zur Debatte um nature based solutions, als (mehr als) kritische Infrastruktur angesehen werden. Es ist in Deutschland nicht nur durch Hitze- und Dürreperioden herausgefordert, sondern gleichzeitig kommen Verwaltungsstrukturen als Risikofaktor für sein Überleben hinzu.
Wer sich mit Transformationen im Bereich der Verwaltung beschäftigt, hört oftmals Argumente wie, Transformationsprozesse seien behindert durch renitente Bürger*innen älterer Semester, Stellenabbau innerhalb der Verwaltung bei gleichzeitiger Steigerung der Anzahl an Aufgaben von Ämtern, Ressourcenmangel, hohem Bürokratieaufwand und Ähnlichem. Demgegenüber steht die Verantwortung für den Erhalt, die Pflege und den Ausbau von Stadtgrün, das in der klimaresilienten Stadtgestaltung neue Relevanz erhält. Somit stellen sich die Fragen: Wie schaffen es die Verantwortlichen unter diesen Voraussetzungen, trotzdem für das Grün in der Stadt zu sorgen? Und wie schafft es das Stadtgrün selbst, in die Verwaltung hineinzuwirken?
Der Beitrag erläutert anhand ethnografischer Beispiele, wie Hitze u.a. über erhöhten Pflegeaufwand von sterbendem Stadtgrün Eingang in verwalterische Prozesse findet. Am Beispiel des Kasseler Stadtgrüns in den Hitzesommern 2018/19 wird das Zusammenwirken soziomaterieller Elemente in urbanen Transformationsprozessen gezeigt.
Nicht nur durch erhöhte Pflegekosten (induziert durch Extremwetterlagen), sondern auch durch die Anregung zu neuen, teils experimentellen, natürlichtechnischen Verflechtungen (z.B. automatisierte Bewässerungssysteme) sowie durch körperliche Aspekte wie spürbare Kühlung (z.B. in Frischluftschneisen) finden Hitze und Dürre Eingang in verwalterische Prozesse.
Das sichtbar sterbende Stadtgrün lässt die Verwaltung diese Extreme als Probleme verstehen, auf die sie einerseits reagiert, entlang denen sich andererseits aber auch neue Umgangsformen und Verflechtungen von Stadtgrün und Stadtverwaltung entfalten. Die Diskussion um die materielle Dimension von Stadtgrün ergänzt damit Lebensstil-Fragen und Debatten um historisch gewachsene Natur-Narrative oder Landschaftsästhetiken um eine weitere, konkret alltagspraktische Perspektive auf verwalterischer Ebene.