Gendergerechtigkeit und die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit im suburbanen Raum: Veränderungen in, nach und durch Krisen

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 18:15–19:45
Sitzungsraum
HZ 7
Autor*innen
Henriette Bertram (Universität Kassel)
Kurz­be­schreib­ung
Der Vortrag beschäftigt sich mit den Möglichkeiten und Grenzen, Gendergerechtigkeit und die Vereinbarkeit von Sorgearbeit und Erwerbstätigkeit über die Veränderung räumlicher Strukturen herzustellen. Am Beispiel von Hamburg-Oberbillwerder werden insbesondere suburbane Räume in den Blick genommen, die lange als räumliche Manifestation von vergeschlechtlichter Arbeitsteilung und Ungleichheit kritisiert wurden.
Schlag­wörter
Gendergerechtigkeit, Vereinbarkeit, Sorgearbeit, Suburbia

Abstract

In meinem Forschungsprojekt beschäftige ich mich mit Veränderungen von Geschlechter- und Arbeitsverhältnissen, die Krisen zum Ausgangspunkt haben und/oder zu weiteren Krisen führen: Bei (heterosexuellen) Paaren wird häufig nach der Familiengründung ein Traditionalisierungseffekt festgestellt, der zu ungleicher Verteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit zwischen Männern und Frauen führt. Diese Ungleichheit wird durch Krisen möglicherweise sogar verstärkt, wie aktuelle Forschungen während der coronabedingten Lockdowns nahelegen. Durch die zunehmende Erwartung, dem Arbeitsmarkt trotz Verantwortung für Kinder oder Ältere zur Verfügung zu stehen – oftmals einhergehend mit der ökonomischen Notwendigkeit dazu – wird Sorgearbeit immer stärker professionali-siert und (an andere Frauen) ausgelagert, nicht immer zu fairen Bedingungen. Gleichzeitig sorgen Digitalisierung und Tertiärisierung für neue und flexiblere Möglichkeiten, erwerbstätig zu sein, die potenziell sogar förderlich auf Gendergerechtigkeit und Vereinbarkeit wirken.

Der räumliche Fokus meiner Forschung liegt auf aktuell entstehenden suburbanen Wohngebieten. Seit den 1970er Jahren wird Suburbia aufgrund der monofunktionalen, automobilorientierten Raumstrukturen als benachteiligend für Frauen kritisiert. Ich stelle die Frage, ob und inwiefern Planende heutzutage diese Kritik aufgreifen und räumlich umsetzen. Erste empirische Erhebungen zu Hamburgs zukünftigem 105. Stadtteil Oberbillwerder lassen vermuten, dass Gender(-gerechtigkeit) kein explizites Thema im Planungsprozess ist und dass sich die quartiersbezogenen Vereinbarkeitsstrategien – überspitzt formuliert – auf die Herstellung von kurzen Wegen und die flächendeckene Einrichtung ganztägiger Kinderbetreuung konzentrieren. Dass diese Arrangements jedoch nicht für alle Familien in Frage kommen und die Verlässlichkeit auch nicht immer gegeben ist, bleibt außen vor. Ich möchte die Session gerne nutzen, um die Bedeutung von räumlichen Lösungen für strukturelle Veränderungsbedarfe und die Möglichkeiten und Grenzen von Planung zu reflektieren. Außerdem würde ich gerne diskutieren, wie und mithilfe welcher Akteure neue, strukturell wirksame Ideen in Forschung und Praxis einfließen können. Am Austausch und ggf. gemeinsamen Publikationen bin ich sehr interessiert.