Geographische Wissenspraxis im Zeichen der sozial-ökologischen Transformation: Potenziale & Herausforderungen einer gelungenen Vermittlung geographischer Wissens- und Denkweisen für zivilgesellschaftliches nachhaltiges Handeln
Abstract
Die multiplen Krisen der Gegenwart sind vielfältiger denn je, und eine zeitnahe Umsetzung der als Lösungsansatz ausgerufenen großen Transformation ist inzwischen unerlässlich geworden. Die bis dato unzureichende Umsetzung von globalen Nachhaltigkeitsstrategien wie der Agenda 2030 zeigt jedoch, dass dieser Prozess nach wie vor in den Anfängen steckt. Andererseits ist innerhalb der Gesellschaft ein stetig steigendes Umweltbewusstsein zu beobachten. Umweltpsychologische Studien zeigen jedoch auch, dass ein gesteigertes Bewusstsein nicht automatisch zu einem nachhaltigen Handeln führt (Knowledge-Action-Gap). Universitäten als dialektische Treiber von Forschung und Wissensvermittlung kommt hier ein besonderer Stellenwert zu. Doch ist die gegenwärtige Praxis der Wissenschaftskommunikation noch zeitgemäß und gewinnbringend im Hinblick auf eine erwünschte Transformation?
Die Geographie als Wissenschaft kann hier durch ihren multiperspektivischen und interdisziplinären Blick auf die Gesamtheit des Planeten Erde sowie durch ihre raum‑, maßstabs- und zeitbezogene und damit holistische Denkweise einen großen Beitrag leisten, sowohl im Hinblick auf Forschung als auch im Kontext einer gelungenen Wissenskommunikation. Geographisches Wissen bietet dabei zahlreiche inhaltliche Anknüpfungspunkte an Themen der Transformation insbesondere im Kontext zivilgesellschaftlicher Alltagshandlungen.
Der Beitrag geht daher den Fragen nach, welchen Wert geographisches Wissen im Kontext der großen Transformation und zivilgesellschaftlichem Handeln aufweist, auf welche Art und Weise ein solches Wissen gewinnbringend in die Gesellschaft vermittelt werden kann und welche Herausforderungen es dabei sowohl auf einer übergeordneten (aktuelle Wissenschaftskommunikationspraktiken) als auch einer innerfachlichen Ebene zu beachten gilt.
Ausgangspunkt der Überlegungen sind die Ergebnisse qualitativer Experteninterviews mit Geographieexpert*innen im deutschsprachigen Raum (n=33) sowie einer quantitativen Online-Panel-Befragung der zivilgesellschaftlichen Bevölkerung in Deutschland (n=500), die im Rahmen des hier vorgestellten Dissertationsvorhabens durchgeführt wurden. So wurde zum einen die Bedeutung geographischer Wissensformen im Kontext der großen Transformation aus wissenschaftlicher Perspektive ermittelt und zum anderen, wo innerhalb der Zivilgesellschaft Wissenslücken in diesem Zusammenhang bestehen, ob und inwieweit geographisches Wissen diese Lücken füllen und wie ein solches Wissen gewinnbringend vermittelt werden kann. Dabei spielen neben potenziellen allgemeinen Kommunikationskanälen und –formaten auch geographiespezifische Besonderheiten eine Rolle.
Es soll diskutiert werden, welche Barrieren gegenwärtig in der (geographischen) Wissenschaftskommunikation vorliegen, wie diese behoben werden können und welche Potenziale im Hinblick auf eine gelungene Wissenspraxis zukünftig stärker genutzt werden sollten auch unter Berücksichtigung gegenwärtiger Digitalisierungsprozesse.