Gesellschaftliche Naturverhältnisse: Relationaler Grundbegriff und transdisziplinärer Denkraum
Abstract
Der Begriff „Gesellschaftliche Naturverhältnisse“ findet Verwendung vor allem in jener Literatur der Geographie und den umweltbezogenen Sozialwissenschaften, die die krisenhaften Beziehungen zwischen Gesellschaften und ihren natürlichen Umwelten zum Ausgangspunkt einer kritischen Gesellschaftsanalyse machen. In dem Kurzbeitrag, der auf aktuellen Überlegungen von Hummel, Jahn, Kramm und Stieß basiert (Hummel et al. 2023), erweitern wir das kritische Erkenntnisinteresse mit einem Gestaltungsanspruch, in dem wir ein doppeltes Verständnis von Gesellschaftlichen Naturverhältnissen entwickeln.
In der ersten Bestimmung verstehen wir „Gesellschaftliche Naturverhältnisse“ als relationalen Grundbegriff eines sozial-ökologischen Begriffsnetzes. Seine zentrale Funktion ist es, die Beziehungsmuster zwischen menschlichen Gesellschaften und der nicht-menschlichen Natur als ihrem Anderen besser zu erfassen und zu analysieren.
In der zweiten Bestimmung bezeichnet „Gesellschaftliche Naturverhältnisse“ einen theoretisch, konzeptionell und methodisch offenen, transdisziplinären Denkraum. In diesem werden sowohl lebensweltliche als auch wissenschaftliche Probleme für die transdisziplinäre Forschung konstituiert. Es können Gedankenwelten eröffnet werden, die sowohl eine Historizität und eine Erfahrungsdimension aufweisen, als auch in die Zukunft gerichtet sind. Somit sind Denkräume auch Möglichkeitsräume, die sich durch ein kritisches und damit politisches Erkenntnisinteresse auszeichnen und grundsätzlich offen für unterschiedliche Perspektiven und Ontologien sind. Indem wir uns in einem solchen Denkraum bewegen, erkunden wir die gegenwärtigen, realweltlichen Krisen in ihrer Bedeutung als Probleme einer nicht-nachhaltigen Entwicklung und mögliche Wege der Gestaltung sozial-ökologischer Transformationen.