Grenzregionen: Ein globaler Ansatz zur Analyse von Grenzinfrastrukturen, wirtschaftlichen und politischen Ungleichheiten und Entwicklungsdynamiken

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
SH 1.104
Autor*innen
Hannes Taubenböck (DLR)
Christoph Otto (DLR)
Fabian Gülzau (Humboldt-Universität zu Berlin)
Steffen Mau (Humboldt-Universität zu Berlin)
Kurz­be­schreib­ung
Mittels heterogener Daten aus Grenzdossiers, Literatur, Zensen und Fernerkundung verknüpfen wir Grenztypologien, grenznahe Siedlungs- und Bevölkerungsentwicklung sowie wirtschaftliche und politische Indikatoren benachbarter Nationalstaaten für alle Grenzregionen der 315 Landesgrenzen weltweit.
Schlag­wörter
Grenztypologien, Grenzregionen, Fernerkundung, Siedlungsdynamiken, Bevölkerungsentwicklung

Abstract

Astronauten sehen vom Weltraum aus unseren schönen blauen Planeten in seiner Gesamtheit und die Verteilung von Landmassen wirkt grenzenlos. Auf der Erde unterteilen nationalstaatliche Grenzen die Landmassen jedoch in bestimmte Territorien. Von einer ‚grenzenlosen Welt‘, wie sie den Astronauten optisch erscheinen mag, sind wir weit entfernt und jüngere krisenhafte Entwicklungen wie die sog. Flüchtlingskrise oder der Ukrainekrieg zeugen davon, dass Grenzen weiterhin Wirkkraft entfalten.

In dieser Präsentation wollen wir die Wirkkräfte in Grenzregionen in globaler Perspektive analysieren. Dafür verknüpfen wir typologisierende Daten zu Grenzinfrastrukturen (Grenztypologie), grenznahe Entwicklungsdynamiken und wirtschaftliche und politische Indikatoren benachbarter Nationalstaaten für alle 315 Landgrenzen. Wir stützen uns dabei auf Daten aus Grenzdossiers, die wir zu einem Indikator unterschiedlicher Grenztypen entwickelt haben, und multitemporalen Kartierungsprodukten aus Satellitenbildern. Unsere Analysestrategie ist zweigleisig: Zunächst werden in einer deskriptiven Analyse die verschiedenen Grenztypologien kartiert. Zum anderen berechnen wir die Entwicklungsdynamik über einen fünfzehnjährigen Zeitraum von 2000 bis 2015. Da es nur wenige konsistente, angemessen räumlich aufgelöste und weltweit verfügbare Datensätze gibt, messen wir die Entwicklung anhand der Proxies “Siedlungen” und “Bevölkerung” anstelle der üblichen wirtschaftlichen Merkmale. Wir verwenden eine Reihe von Messgrößen, die nicht nur die Entwicklungen in der Grenzregion, sondern auch die Dynamik in der Grenzregion im Verhältnis zum jeweiligen Nationalstaat zeigen. Anhand eines globalen Rankings zeigen wir die Variabilität der Entwicklungsdynamik an den Grenzen in der ganzen Welt. Zweitens setzen wir diese Dynamik in Beziehung zu den verschiedenen Grenztypen und zu den wirtschaftlichen und politischen Unterschieden der benachbarten Nationalstaaten. Wir stellen folgende Trends fest: Größere politische oder wirtschaftliche Unterschiede zwischen benachbarten Nationalstaaten stehen in Zusammenhang mit einer stärkeren Grenzbefestigung, größere wirtschaftliche oder politische Ungleichheiten stehen in Zusammenhang mit einer stärkeren Bevölkerungs- oder Siedlungsakkumulation auf der ärmeren oder weniger freien Seite der Grenze, und eine stärkere Grenzbefestigung behindert die Siedlungs- und Bevölkerungsentwicklung bis zu einem gewissen Grad. Diese empirisch gemessenen Trends sind jedoch nur teilweise statistisch signifikant und nicht so stark und eindeutig wie angenommen. In einer kritischen Diskussion reflektieren wir die Möglichkeiten und Grenzen eines solchen empirischen Gesamtansatzes.