Grundwasserforschung im Anthropozän: Kritik, Perspektivenvielfalt und Selbstreflexion
Abstract
Transformationen zur Nachhaltigkeit sind angesichts multipler Krisen sowohl dringender, als auch herausfordernder als noch vor wenigen Jahren. Im Zeitalter des Anthropozäns geraten Gewissheiten ins Wanken, vom chemischen Verhalten von Stofflichkeiten im Grundwasser über Auswirkungen des Klimawandels bis zu disruptiven Veränderungen in Energie- und Nahrungsmittellieferketten (siehe Ballestero, 2019). Die kritische Nachhaltigkeitsforschung gerät dabei zunehmend in ein moralisches Dilemma zwischen der Identifikation drängender Handlungsbedarfe um ungerechte Entwicklungen aufzuhalten und zu transformieren, und dem eigenen Anspruch, reflexiv und herrschaftskritisch zu forschen. Die sozial-ökologische Nachhaltigkeitsforschung reagiert auf diese Situation mit einer verstärkten Forderung nach einem integrierenden, transdisziplinären Forschungsmodus, der sich vor Gestaltung nicht scheut, sondern diese explizit bespielt (Jahn et al., 2020). Ein praktisches Beispiel ist die transdisziplinäre Entwicklung von Leitbildern für eine nachhaltige und gerechte Zukunft. Wie wird dabei nicht-hegemoniales Wissen (un)sichtbar gemacht und in die Gestaltung einbezogen? Wie werden machtvolle Beziehungen reproduziert oder auch neu gestaltet? Diese Fragen kann die humangeographische Perspektive beleuchten und bearbeitbar machen. Dabei ergeben sich Widersprüche zwischen der kritischen Perspektive und dem Anspruch an Wissensintegration im transdisziplinäre Forschungsmodus. Diese können durch ein hohes Grad an Selbstreflexion einen konstruktiven Beitrag zur transformativen Forschung leisten (siehe auch Caniglia et al., 2022). Ich beleuchte dies am Beispiel eines transdisziplinären Forschungsprozesses zu nachhaltigem Grundwassermanagement.