Haushaltssanierung mittels Stadtentwicklung: Zur Verwertung städtischen Bodens unter den Bedingungen kommunaler Austerität
Abstract
In der englischsprachigen Stadtgeographie existiert ein wachsender Kanon an Literatur, der die Finanzialisierung von städtischem Boden betrachtet und dabei die (lokal)staatlich initiierten Verwertungsprozesse in den Blick nimmt. In meinem Beitrag möchte ich diese Erkenntnisse zu bodenbezogener Finanzialisierung um eine fiskalgeographische Perspektive ergänzen und auf das Beispiel der Stadt Offenbach am Main anwenden. Leitend dafür ist die Frage nach dem Zusammenhang von Austerität und Bodenpolitik in dem spezifischen Offenbacher Kontext. Die räumliche Ausprägung fiskalischer Instrumente und die Verteilung der Staatsfinanzen, so möchte ich argumentieren, sind demnach zentral für ein stadtgeographisches Verständnis neoliberaler Transformation und deren Repräsentation in der gebaute Umwelt.
Offenbach war lange Jahrzehnte als Krisenstadt und Schuldenhochburg stereotypisiert. Austeritätspolitik und Sparverordnungen bilden seitdem die Maxime der Stadtpolitik. Zentral für das „Modell Offenbach“, wie es der damalige Bürgermeister Grandke vorstellte, war und ist „ein integriertes Gesamtkonzept von Haushaltssanierung, Verwaltungsumbau, Stadtentwicklung und schließlich eine innovative Produktpolitik in kritischen Bereichen der öffentlichen Infrastruktur“ (Grandke 1995:19).
Um die Prozesse hinter der finanziellen Ausstattung der Kommunen zu durchsteigen und den multiskalaren Charakter und die Wirkungsweise der Austeritätsmaßnahmen zu verstehen, habe ich im April 2022 sechs Expert*innen-Interviews mit Vetreter*innen der hessischen als auch der Offenbacher Politik und Verwaltung geführt. Die Auswertung der Interviews bildet neben Einbezug relevanter Publikationen der Stadt Offenbach und der Presse das empirische Fundament des Beitrags.
Es zeigt sich das Folgende: Zunächst werden durch den Kontext normalisierter Austerität und die rechtlichen Regelungen zahlreicher Sparprogramme bzw. Gesetze städtische Grundstücke nicht etwa als notwendige städtische Grundversorgung gesehen, sondern vielmehr als Vermögenswerte konzipiert, die es zur Konsolidierung des kommunalen Haushaltes zu veräußern gilt. Um die Veräußerung möglichst gewinnbringend zu gestalten, ist besonders die Stadtverwaltung in ihrer eigenen Konzeption sowie in ihrer Politik an unternehmerischen Grundsätzen ausgerichtet und darauf aus, ein risikoarmes Klima für Investoren herzustellen. Zusätzlich investiert die Stadt strategisch in die Entwicklung neuer Gebiete und ist somit nicht nur Weichenstellerin für urbane Finanzialisierungsprozesse, sondern treibt diese aktiv an. Städtischer Boden wird so zum Asset, dessen zukünftige Gewinnströme durch fiskalische Instrumente gesichert (für die Kommune Einnahmen aus Grund‑, Gewerbe- und Einkommenssteuer) und zur Konsolidierung des Haushaltes genutzt werden.
Ich möchte den Beitrag auf dem DKG’23 nutzen, um die hier angerissene Forschung besonders in Hinblick auf einen mögliche Publikation eines Zeitschriftenartikel zu diskutieren.