Fiscal Futures: Geographien öffentlicher Finanzen dies- und jenseits der Austerität
Abstract der Sitzung
Betrachtet man die Fiskalgeographie seit der Globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, ergibt sich ein heterogenes Bild: Zunächst wurden vielerorts Formen extremer Sparsamkeit als Krisenbewältigungsstrategie durchgesetzt. Die Verrechtlichung öffentlicher Haushaltsdisziplin mittels Schuldenbremsen und die Delegation der Kosten dieser Sparpolitik auf die lokale Ebene zeitigte den politischen Kontext einer normalisierten Austerität, die unabhängig von konjunkturellen Zyklen auf die dauerhafte Kürzung öffentlicher Ausgaben abzielt. Im Verlauf der 2010er-Jahre stellte sich anschließend eine Besserung zentraler Haushaltsindikatoren ein. Die Überschüsse waren jedoch zu guten Teilen den Niedrig- bzw. Nullzinsen geschuldet und viele Kommunen, Bundesländer und Staaten mit austeritären Konsolidierungspolitiken und deren Folgen befasst.
Diese Entwicklungslinien der Staatsfinanzen sind verknüpft mit der Vielfachkrise im gegenwärtigen Kapitalismus, zu der mit der Corona-Pandemie und dem Ukrainekrieg weitere Dimensionen hinzustießen. In Folge kam es zu Wortmeldungen von ungewohnter Stelle (u.a. den Wirtschaftweisen), die entgegen der neoliberalen Hegemonie vergangener Dekaden höherer Besteuerung und staatlicher Investition auch um den Preis neuer Schulden das Wort reden. Doch die Austeritätsbefürworter\*innen sind nicht verschwunden und vor dem Hintergrund normalisierter Austerität sind mittelfristig und räumlich ungleich Sparszenarien nicht unwahrscheinlich.
Angesichts dieser umkämpften Konstellation wollen wir in dieser Session über die Neuordnung öffentlicher Finanzen diskutieren. Ein besonderes Augenmerk wollen wir auf den Gesichtspunkt alternativer fiskalischer Zukünfte werfen.
Beiträge können u.a. eine der folgenden Fragen adressieren:
- Wie stellt sich der Status Quo der Staatsfinanzen in einer fiskalgeographischen Perspektive dar?
- Welche Aspekte der Staats- und Kommunalfinanzen geraten mit geographischen Konzepten in den Blick? Wie kann die Fiskalgeographie andere Perspektiven bereichern?
- Welche Wechselwirkungen zwischen Ausprägungen der Vielfachkrise (Geschlechterverhältnisse, Migrationsregime, Klimawandel usw.), Staatsfinanzen und/oder Austerität sind räumlich differenziert zu beobachten?
- Wie ist das „Interface“ zwischen privaten und öffentlichen Finanzen im Euroraum ausgestaltet? Wie können Fiskal- und Finanzgeographie zusammengedacht werden?
- Welche Problemlagen gehen mit normalisierter Austeritätspolitik bei Kommunen unterschiedlicher Größe einher?
- Welche Szenarien ergeben sich für öffentliche Finanzen mit Blick auf zukünftige Formen des Wirtschaftens (z.B. Rekommunalisierung, Soziale Infrastrukturen)?
- Welche heterodoxen Ansätze für Staatsfinanzen lassen sich identifizieren? Wie konzipieren plurale Ökonomien den Weg in post-austeritäre Finanzordnungen? Wie lassen sich Degrowth-Strategien im multiskalaren Steuerstaat denken?
- Welche (Gegen‑)Strategien im Umgang mit lokaler und multiskalarer Austeritätspolitik lassen sich identifizieren?