Hierarchie und „giving voices“: Herausforderungen partizipativer Feldforschung in dominikanischen Bateyes

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 18:15–19:45
Sitzungsraum
SH 1.108
Autor*innen
Stefan Kordel (FAU Erlangen-Nürnberg)
Julia Kieslinger (FAU Erlangen-Nürnberg)
Kurz­be­schreib­ung
In diesem Beitrag skizzieren wir am Beispiel mehrerer Feldforschungsaufenthalte in sogenannten Bateyes der Dominikanischen Republik die Notwendigkeit, einer Immersion in lokale Kontexte und einer kritischen Auseinandersetzung mit der Positionalität von Forschenden.
Schlag­wörter
Partizipatives Forschen, lokale Kontexte, Lebenswelten, Globaler Süden

Abstract

Empirische Forschungsarbeiten im partizipativen Stil verfolgen das Ziel, Machtasymmetrien zu dekonstruieren und Teilnehmende an der Konzeption, der Durchführung und der Auswertungsphase teilhaben zu lassen. Sie werden so zu Co-Forschenden und bestimmen die inhaltliche Ausrichtung, aber auch das Zustandekommen von Ergebnissen mit – der Fokus liegt hierbei auf gemeinsamer empirischer Forschung. In einem Action-Research-Ansatz sollen Forschungsarbeiten darüber hinaus zu Veränderungen von Lebenswelten vor Ort führen. Beide konzeptionelle Ansprüche werden im Forschungsdesigns von Projekten aufgegriffen, wobei Forschende aus dem Globalen Norden, die im Globalen Süden tätig sind, auf eine Vielzahl von Herausforderungen stoßen.

In diesem Beitrag skizzieren wir am Beispiel mehrerer Feldforschungsaufenthalte in sog. Bateyes der Dominikanischen Republik die Notwendigkeit, einer Immersion in lokale Kontexte und einer kritischen Auseinandersetzung mit der Positionalität von Forschenden. Als Bateyes werden marginalisierten Siedlungen bezeichnet, die ursprünglich von haitianischen Arbeitskräften im Zuckerrohranbau bewohnt wurden und heute starken Transformationen unterworfen sind.,

Immersion und intensives Eintauchen in lokale Lebenswelten im ethnografischen Sinne werden vielfach als Prämisse für dekoloniale Forschungspraxis betrachtet. Schließlich ist die Kenntnis von Lebenswelten von Bewohner:innen marginalisierter Quartiere im Globalen Süden Voraussetzung dafür, Bedarfe kennenzulernen, an denen sich Forschungspraxis orientieren sollte. Dies reicht beispielsweise von der Auswahl der Teilnehmenden unter Berücksichtigung ihrer zeitlichen Verfügbarkeit, sowie von Erhebungsorten, über die Erarbeitung verständlicher Erhebungsinstrumente bis hin zur Wahl angemessener Aufwandsentschädigungen. Im Rahmen von Gesprächen oder Workshops begegnen wir Lebenswelten und verändern diese zugleich durch Interaktion. Hierbei spielen die Positionalität von Forschenden und Hierarchien in Feld eine zentrale Rolle. Insbesondere der berufliche Status als (akademisch) Forschende stellt häufig eine Herausforderung dar und besonders gering literalisierte Personengruppen können sich schwer vorstellen, welche Interessen Forschende verfolgen und wie sie arbeiten. Positionalität zeigt sich in der Feldforschung durch Marker, wie z.B. (beruflicher) Status, Kleidung und Aussehen oder Sprache. So nahmen Bewohner:innen von Bateyes z.B. an, Personen mit weißer Hautfarbe seien Mitarbeitende von NGOs aus Nordamerika und verbanden damit Erwartungen, was für uns als Forschende eine Herausforderung für ein realistisches Erwartungsmanagement darstellte.. Der Marker Sprache spielte eine wichtige Rolle mit Hinblick auf lokale Formen der Angemessenheit (z.B. Verwendung von Kreol, Spanisch, einfacher Sprache und Dialekt). Co-Forschende nehmen hier eine zentrale Position als Vermittler:innen und Gatekeeper ein.