Reflexive Forschungspraktiken in marginalisierten Quartieren im Globalen Süden: Reproduktion postkolonialer Strukturen? (2/2)

Fachsitzung
Sitzungs-ID
FS-434
Sitzungsreihe
Gehe zu: Teil (1/2)
Termin
Donnerstag (21. September 2023), 18:15–19:45
Raum
SH 1.108
Sitzungsleitung
Janek Becker (TU Dortmund)
Raffael Beier (TU Dortmund)
Kurz­be­schreib­ung
Die Session thematisiert ethische Fragen geographischer Forschungspraxis in marginalisierten Quartieren des Globalen Südens und ergründet wie der Reproduktion des Machtgefälles zwischen Forschenden und „Erforschten“ entgegengewirkt werden kann.
Schlag­wörter
Globaler Süden, Forschungsethik, Stadtgeographie, Postkoloniale Ansätze, Kritische Geographie, Methoden
Stefan Kordel (FAU Erlangen-Nürnberg)
Julia Kieslinger (FAU Erlangen-Nürnberg)
Hierarchie und „giving voices“: Herausforderungen partizipativer Feldforschung in dominikanischen Bateyes

Abstract der Sitzung

Eine ethisch verantwortungsvolle Forschung muss sich zwingend mit den Auswirkungen der eigenen Forschung und dem Schutz der Befragten auseinandersetzen. Von historisch gewachsenen und reproduzierten Machtungleichheiten geprägte postkoloniale Strukturen stellen allerdings insbesondere (nicht ausschließlich!) im Globalen Süden weitere Anforderungen an eine kritisch-reflexive Forschungspraxis. So betonen Quijano & Ennis (2000) im Konzept der Coloniality of Power die Auswirkungen einer europäisch-nordamerikanischen Kontrolle über die Produktion, Verbreitung und Form von Wissen (siehe auch Ndlovu-Gatsheni 2014). In Ordinary Cities beschreibt Robinson (2006) eine ähnliche Nord-West-Dominanz innerhalb der Stadtforschung. Für die Forschungspraxis ergeben sich hieraus weitere ethische Fragen bezüglich der Auswirkungen der eigenen Forschung, die über die Einhaltung formeller rechtlicher Standards und Ethikvoten hinausgehen. Vor allem in marginalisierten Quartieren des Globalen Südens, in denen Machtgefälle zwischen Forschenden und Beforschten besonders deutlich erscheinen, ist die Reflexion der eigenen Positionalität als Forschender zusätzlich zum Schutz der/des „Erforschten“ essentiell (Ha 2014; Lawhon & Truelove 2020). Bei der Erforschung „marginalisierter Quartiere“ besteht zudem die Gefahr der Reproduktion von Stigmata durch die Auswahl und Art der Forschung (Beier 2020; Valladares 2019). Demzufolge beschäftigt sich diese Session damit, wie Forschende diesen ethischen Herausforderungen begegnen und wie der Reproduktion des Machtgefälles zwischen Forschenden und „Erforschten“ entgegengewirkt werden kann.

Anknüpfend an den aktuellen post-/dekolonialen Diskurs in der deutschsprachigen Geographie (Ha 2014; Singer 2019; Schwarz & Streule 2020) möchten wir in dieser Session ethische Fragen geographischer Forschungspraxis in marginalisierten Quartieren des sogenannten Globalen Südens thematisieren. Wir wünschen uns forschungsnahe Beiträge, die Forschungserfahrungen und -praktiken mit Blick auf die Reproduktion, bzw. Dekonstruktion postkolonialer Strukturen sowie die eigene Praxis der Positionalisierung kritisch reflektieren. Dabei interessieren wir uns vor allem, aber nicht ausschließlich, für Beiträge, die sich mit einem oder mehreren der folgenden Schwerpunkte befassen: