Impulse aus den interdisziplinären Border Studies für die Geographie: Grenzziehungsprozesse in Urban Borderlands der Metropole Paris
Abstract
Forschungsgegenstand der Border Studies sind sowohl nationalstaatliche Grenzregionen als auch urbane-rurale Räume (vgl. Roßmeier und Weber 2021; Breitung 2011). Beispielsweise Iossifova (2013, 4) spricht sich explizit dafür aus, dass auf städtischer Ebene mehr Forschungsbedarf zu Grenzen und Abgrenzungen bestehe. Hierbei kommt das Konzept der Urban Borderlands zum Tragen. In Urban Borderlands, verstanden als hybride Übergangsbereiche, verschwimmt die Dichotomie von als urban und suburban gelesenen Elementen (Iossifova 2019, 4; Roßmeier und Weber 2021, 7). Es sind also Grenzräume, in denen vielschichtige, komplexe Prozesse ablaufen und zur Ausbildung von kleinteiligen Räumen führen, sodass eine patchworkartige Ansammlung von Enklaven entsteht und sich bspw. sozialräumlich ungleiche Nachbarschaften und ein Nebeneinander von Funktionen ausbilden (Weber und Kühne 2020, 50; Iossifova 2019, 1). In diesen fragmentierten Gebieten finden vielschichtige und dynamische intra-urbane Grenzziehungen statt und wirken sich dort auf das Zusammenleben und den Alltag der Menschen vor Ort aus.
Im Zuge von Grenzziehungen werden Praktiken des B-Ordering und Othering relevant (vgl. van Houtum und van Naerssen 2002; Scott 2009), wobei im Bordering durch Othering Grenzziehungen vorgenommen werden (Liao, Breitung und Wehrhahn 2018, 1093), die im Rebordering (re)produziert und potenziell verfestigt werden, in Debordering-Prozessen Grenzen hingegen destabilisiert werden (Rumford 2006, Seite; Liao, Breitung und Wehrhahn 2018, 1094; Wille 2021, 109). Diese Prozesse lassen sich eindrücklich in der Metropolregion Paris beobachten. Im Großraum Paris finden im Rahmen eines umfangreichen Stadtentwicklungsprojekts vielschichtige und komplexe Grenzziehungsprozesse statt, die zur Ausbildung und Verstärkung von Urban Borderlands führen, mit In- und Exklusionsprozessen verbunden sind und somit trennende als auch verbindende Wirkung entfalten können. Die um den Ourcq-Kanal stattfindenden tiefgreifenden Veränderungen werden im Vortrag beispielhaft analysiert und Impulse für die geographische Forschung, die sich aus der Verknüpfung von Border Studies und Diskurstheorie ergeben, herausgearbeitet.
Mit Rückgriff auf die Hegemonie- und Diskurstheorie nach Laclau und Mouffe (1985) wird eine Dekonstruktion von Grenzziehungen, ein Aufzeigen der Verschiebungen und Umbrüche in den Diskursen sowie ein Offenlegen der dynamischen Prozesse möglich. Grenzziehungen werden als in diskursiv vollzogenen Praktiken und sozialen Prozessen hervorgebracht verstanden. Da in der Diskurstheorie nach Laclau und Mouffe (1985) Ein- und Ausschlüsse thematisiert werden, aber Grenzziehungen im Detail nicht explizit vertieft werden, können diese Grenzziehungsprozesse in Verknüpfung mit den Border Studies stärker beleuchtet werden und damit gewinnbringend für die Forschung eingesetzt werden, wie aufgezeigt wird.