Infrastrukturen in Ankunftsquartieren als Borderscapes

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
SH 1.104
Autor*innen
Madlen Pilz (Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS))
Kurz­be­schreib­ung
Im Rückgriff auf den Begriff der Borderscapes wird der ambivalente Charakter von Infrastrukturen zur Integration Geflüchteter diskutiert und der Fokus auf die Koproduktion und die Aushandlungsprozesse zwischen Bewohnerschaft, staatlichen Strukturen und Politiken gelegt.

Abstract

Der Beitrag basiert auf Forschungen zur Situation, Gestalt und ambivalenten Funktionsweise von Infrastrukturen der Integration in ostdeutschen Großwohnsiedlungen. Unser Fokus liegt dabei auf den eher peripher gelegenen Großwohnsiedlungen, die sich seit 2015 von Stadtumbauquartieren - geprägt von Abwanderung, Leerstand und Rückbau von Wohngebäuden sowie Infrastruktureinrichtungen – zu einem neuen Typus von Ankunftsquartieren (Hanhörster et al. 2020, El-Kayed et al. 2020, Hanhörster u. Wessensdorf 2022) entwickelt haben. Damit einher geht auch die Anpassung der Grundversorgung mit Infrastrukturangeboten, die jedoch mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert ist, wie den räumlichen Möglichkeiten, personellen Kapazitäten, der finanziellen bzw. administrativen Unterstützung. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der Beitrag mit den Fragen: Welche Akteur*innen und Politiken prägen die infrastrukturelle Landschaft in den Quartieren? Wie funktionieren die vorhandenen Angebote? Wie gehen sie auf die vorhandenen Bedarfe ein?

Neben den Arbeiten von Meeus et al. (2019), Latham und Layton (2022) stützen wir uns vor allem auf das Konzept der Borderscapes (Brambilla 2015, Brambilla et al. 2015, Brambilla u. Jones 2019). Das, ausgehend von den Ansätzen der Vervielfältigung und Heterogenisierung von Grenzen im Innenraum der Nationen (Mezzadra u. Neilson 2013) und der migrantischen Kämpfe (Scheel 2015), den Fokus auf die ambivalente Wirkungsweise von „Grenzräumen“ richtet. Es beschreibt diese einerseits als Räume, in denen über das Prinzip der graduellen Inklusion (De Genova 2002) bzw. der inkludierenden Exklusion (Espahangizi 2015) sortiert, differenziert und kontrolliert wird. Andererseits betrachtet es diese als Räume der Auseinandersetzung mit der hegemonialen Ordnung und der Entstehung neuer Subjektivitäten und Möglichkeiten. Daran anknüpfend analysieren wir beispielhaft zwei Infrastrukturbeispiele aus Großwohnsiedlungen in Schwerin: 1. einen zivilgesellschaftlich und migrantisch geprägten Verein, der Bildungsangebote im Quartier bereitstellt, 2. einen bürgerschaftlich initiierten Stadtteilpark auf einer Rückbaufläche, der auch von verschiedenen Vereinen genutzt wird. Damit richten wir den Blick auf zwei verschiedene Formen sozialer Infrastrukturen, die es beide nicht ohne das Engagement verschiedener Bewohner*innen, die staatliche Unterstützung und finanzielle Förderung geben würde. Analytisch konzentrieren wir uns auf die unterschiedlichen Zielsetzungen und die Machtasymmetrien zwischen den beteiligten Akteur*innen, die fördernden und hinderlichen Umsetzungsfaktoren sowie die Auswirkungen für Nutzer*innen im Quartier. Unser Ziel ist es, die Diskussion zu Ankunftsquartieren mit Blick auf die Koproduktion und die Aushandlungsprozesse zwischen Bewohnerschaft, staatlichen Strukturen und Politiken in den Infrastrukturangeboten in diesen Quartieren zu vertiefen.