Infrastrukturieren als politisches Verb: Zur Verknüpfung von konfliktorientierter Demokratietheorie und Assemblageforschung am Beispiel des “librarizing” in öffentlichen Bibliotheken

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
HZ 6
Autor*innen
Friederike Landau-Donnelly (Radboud Universiteit Nijmegen)
Alexa Färber (Universität Wien)
Marion Hamm (Universität Wien)
Kurz­be­schreib­ung
Wir schlagen vor, "Infrastrukturieren" als politisches Verb und “librarizing” (Rivano Eckerdal) konzeptuell zu verschränken, um Konflikt- und Akteur*innenkonstellationen im Kontext öffentlicher Bibliotheken kritisch untersuchbar zu machen, und so deren Potenzial als Ort progressiven Infrastrukturierens wie auch Beschränkungen desselben auszuloten.

Abstract

In diesem explorativen Beitrag führen wir Debatten über die politische Dimension von Infrastrukturen (McFarlane und Rutherford 2008; Larkin 2013), konfliktorientierte Theorien von Antagonismus (Mouffe 2013, Marchart 2018, Landau et al. 2021) und Ansätze der Assemblage-Forschung (Färber 2014) zusammen, um ein konfliktorientiertes Verständnis von Infrastrukturen zu skizzieren. Statt diese als abgeschlossene, technologisch-materielle Objekte zu betrachten, orientieren wir uns am Begriff des Infrastrukturierens (Karasti/Blomberg 2017; Korn et al. 2019), um die Unabgeschlossenheit von Infrastrukturen zu betonen. Dabei rücken alltägliche Praktiken, Materialitäten und Akteur*innen des Infrastrukturierens in den Blick, welches die Analyse von Konflikten um die Realisierung von Infrastrukturen komplexer macht.

Im Zentrum steht das konzeptionelle Angebot des “librarizing”, das Konfliktkonstellationen und Akteur*innen der Infrastrukturierung im Kontext öffentlicher Bibliotheken untersuchbar macht (Rivano Eckerdal 2018). Čffentliche Bibliotheken eignen sich für eine forschungspraktische Problematisierung unseres begriffstheoretischen Anliegens, weil sie als historisch-politische Projekte eng mit dem Verständnis ‘progressiver’ Politik der westlichen Moderne und Aufklärung verbunden sind. Sie materialisieren die Ambivalenzen von Progressivität/Wandel bei der wohlfahrtsstaatlichen Ermöglichung von Teilhabe und Bildung bei gleichzeitiger Durchsetzung hegemonialer, teils disziplinierender, bürgerlicher Werte. Der Beitrag setzt die ontologischen Grundannahmen der Antagonismus- und Assemblage-Forschung in einen konstruktiven konzeptuellen Dialog, um das theoriebildende Potenzial des Konzepts “librarizing” als spezifische, politische Form des Infrastrukturierens auszuloten.

Unsere Überlegungen beruhen auf dem laufenden vergleichenden, internationalen und interdisziplinären Forschungsprojekt “ILIT - Infrastructuring Libraries in Transformation” (2022-2025), das die lokalen Raumproduktionen und Transformationsprozesse öffentlicher Bibliotheken in Rotterdam, Malmö und Wien unter dem Einfluss von Austeritätspolitiken untersucht.

Färber, A. 2014. Potenziale freisetzen: Akteur-Netzwerk-Theorie und Assemblageforschung. sub/urban (2) 1, 95-103.

Karasti, H./Blomberg, J. 2017. Studying Infrastructuring Ethnographically. Comput. Supported Coop Work 27, 233–265

Korn, M. et al. 2019. Infrastructuring Publics. Wiesbaden: Springer VS

Landau et al. 2021. [Un]Grounding. Bielefeld: transcript Verlag

Larkin, B. 2013. The Politics and Poetics of Infrastructure. Annu. Rev. Anthropol. (42)1, 327-343

Marchart, O. 2018. Thinking Antagonism. Edinburgh University Press

C. McFarlane/J. Rutherford. 2008. Political Infrastructures. Int J Urban & Reg Research (32) 2, 363-374

Mouffe, C. 2013. Agonistics. London:Verso

Rivano Eckerdal, J. 2018. Equipped for resistance: An agonistic conceptualization of the public library as a verb. J Ass for Inf Sci & Technology 69 (12), 1405-1413