Kein Raum für Vertrauen? Konzeptionelle und empirische Überlegungen zur Rolle des Vertrauens auf angespannten Wohnungsmärkten

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
HZ 5
Autor*innen
Judith Keller (Universität Heidelberg)
Ulrike Gerhard (Universität Heidelberg)
Kurz­be­schreib­ung
Vertrauen dient in diesem Beitrag als zentrale Analysebrille, um die Verwerfungen auf den Wohnungsmärkten zu untersuchen. Mit Hilfe von empirischen Fallstudien soll aufgezeigt werden, inwiefern das Zuhause in der Stadt als zentrales Element der Stadtentwicklung umkämpft und nachhaltig bedroht ist.
Schlag­wörter
Stadtentwicklung, Vertrauen, Wohnungsmärkte, Zugang, Zuhause

Abstract

Prekäre Lebensverhältnisse, steigende Wohnraumkosten, Verdrängungen, Zwangsräumungen und -versteigerungen haben das Vertrauen von Bürger*innen in eine nachhaltige Stadtplanung und sich selbst regulierende Wohnungsmärkte erschüttert. Mehr noch, das Vertrauen von Bürger*innen wird verletzt, wenn sie in Planungsprozessen übergangen oder sogar von neuen Projekten verdrängt werden. Dieser Beitrag möchte daher den Fokus auf die Bedeutung von Vertrauen als wichtige Dimension der Stadtentwicklung legen und zeigen, dass die derzeitigen wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen auf städtischen Wohnungsmärkten dazu führen, dass Vertrauen auf verschiedenen Maßstabsebenen sowie in verschiedenen Beziehungskonstellationen (personell, institutionell) neu ausgehandelt und legitimiert werden muss.

Obwohl der Vertrauensbegriff in den letzten Jahren in politischen Debatten immer populärer wurde, bleibt er meist recht vage. Daher soll zunächst der Zusammenhang von Stadt, Raum und Vertrauen herausgearbeitet werden und die urbane Dimension des Vertrauens unterstrichen werden. Vertrauen dient dann als Analysebrille, durch die die Spannungen auf dem Wohnungsmarkt und die daraus häufig resultierenden prekären Lebensverhältnisse untersucht werden können. Es zeigt sich, dass diese Spannungen städtische Vertrauensbeziehungen verletzen, da das Zuhause als Ort des Vertrauens und der Sicherheit untergraben wird und damit als zentrale Komponente städtischen Lebens ins Wanken gerät. Hierfür sind unterschiedliche Konzeptionen von Zuhause bedeutsam, die von klassisch humanistischen Ansätzen, über ökonomisch-materialistische bis zu kritisch-feministischen Ansätzen reichen.

In unserem Vortrag wollen wir mit Hilfe der Analysebrille Vertrauen diese Ansätze zusammenführen und anhand von empirischen Fallstudien aufzeigen, wie Zugangsbeschränkungen auf Wohnungsmärkten, aber auch Verdrängungen und Zwangsräumungen Nachbarschaftsbeziehungen zerstören und Stadtentwicklung beeinträchtigen. Letztlich leitet sich daraus die Forderung nach Zugang zu sicherem Wohnraum ab, um es Bewohner*innen zu ermöglichen, Vertrauensnetzwerke aufzubauen, am städtischen Leben teilzunehmen und von ihrem Recht auf Stadt Gebrauch zu machen.